1936 - Im Para-Bunker
der Sterbestatistik, jedenfalls für Außenstehende.
Aber für die unmittelbaren Freunde, Familienangehörigen und Bekannten dieser Verstorbenen stellte jeder einzelne Todesfall eine kleine oder größere Katastrophe dar, selbst wenn dieser Tod sanft und friedlich verlaufen war, ein Ergebnis langen Lebens und hohen Alters.
Aber Mord?
Morde waren auf der Erde des zu Ende gehenden dreizehnten Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung sehr selten geworden; jeder einzelne ein Fall für die Schlagzeilen und ausführliche Medienberichterstattung. In diesem besonderen Fall allerdings hatte Gia de Moleon eine strikte Nachrichtensperre verhängt.
Mehr als siebenhundert Morde, alle begangen von ein, und demselben Täter - das war mehr, als man der Öffentlichkeit zumuten konnte. Eine Panik wäre unausweichlich gewesen angesichts der ungeheuren Zahl der .Opfer - und der Tatsache, daß den Behörden der Täter bereits bekannt war. Sie kannten seinen Namen, besaßen Abbildungen von ihm - und dennoch hatte sich Garron jedem Zugriff der Sicherheitskräfte entziehen können.
Natürlich hätte man auch das den Menschen auf der Erde erklären können - Garron war ganz offensichtlich ein Teleporter. Nach meinem Wissensstand war er neben Gucky das einzige bekannte Lebewesen mit dieser einzigartigen Fähigkeit.
Ich konnte Gia de Moleon -verstehen, ihre Beweggründe waren ziemlich offensichtlich.
Zellaktivatorträger und Mutanten genossen derzeit keinen besonders guten Ruf bei der Menschheit; viele, wahrscheinlich die Mehrheit, betrachteten sie als Monstrositäten, und wenn sich herumsprach, daß ein teleportierender Massenmörder am Werke war, gab das Wasser auf die Mühlen aller Hetzer, Nörgler und Quengler, die nichts lieber taten, als die Regierung in Mißkredit zu bringen.
Ich konnte Gia de Moleon verstehen und respektierte ihre Entscheidung, wenn auch mit eiriem gewissen Widerwillen. Daß dabei massenspychologische Gründe ebenso eine Rolle spielten wie politische Rücksicht, war Außenstehenden nur schwer zu vermitteln, die darin wohl nur Mauscheleien sehen konnten. Die Parteien der Opposition würden jubeln, wenn sie davon erfuhren, und sofort eine entsprechende Medienkampagne starten, um die Erste Terranerin und den TLD in Mißkredit zu bringen. Ohne diese politischen Gegner hätte de Moleon wahrscheinlich größere Skrupel gehabt, den Fall Vincent Garron an die Öffentlichkeit zu bringen.
Die Sache ging ihr sehr nahe, das war ihr anzusehen. In den letzten Tagen hatte sie offenkundig sehr wenig geschlafen, ihr Gesicht wirkte eingefallen, und ihre Miene war seltsam kraftlos. Die Marsgeborene trug schwer an dieser Last.
„Siebenhundertsiebzehn!" sagte der junge Adjutant mit klarer Stimme. Für ihn schien es nur eine Zahl zu sein. „Offenbar ist es Garron gelungen, von Mimas zu entkommen. Dabei hat er insgesamt zweiundneunzig Menschen und andere Galaktiker getötet. Wahrscheinlich ist er als Teleporter in eine Privatjacht gesprungen, die einen Patienten von Mimas abgeholt hat. Die Jacht ist dann auf dem Raumhafen von Terrania gelandet. Als sich einige Zeit später niemand mehr an Bord gemeldet hat, ist man in das Schiff eingedrungen und hat die Leichen der Besatzung gefunden. Garron hat niemanden am Leben gelassen."
Gia de Moleon nickte ernst.
„Was meinst du dazu?" wandte sie sich an mich.
„Ich bin, wie du weißt, weder Kriminalist noch Facharzt für Psychiatrie", wandte ich ein.
„Ich weiß", sagte Gia de Moleon leise. „Ich habe auch schon Doktor Erik Munquardt bitten lassen, uns als Fachmann zu beraten. Und Professor Doktor Sark Kleen von der Universität Terrania als Augenspezialisten.
Beide haben Vincent Garron übrigens schon früher einmal untersucht, auf sein Verlangen hin, so unglaublich das auch klingen mag. Sie werden sich erneut um Garron kümmern, wenn wir ihn erst einmal haben. Aber deine Auffassung interessiert mich. Warum tötet er jeden, der ihm über den Weg läuft? Darunter auch solche Menschen, Kinder beispielsweise, die ihm weder etwas getan haben noch eine Bedrohung für ihn darstellen?
Warum?"
Ich zuckte mit den Achseln.
„Ich weiß es nicht!" gab ich offen zu; ich hatte allerdings über die gleiche Frage schon nachgegrübelt.
„Eine Möglichkeit könnte diese sein: Garron kann seine Gabe als Mikro-Frequenzer nicht genau kontrollieren.
Wenn er Mikrowellenstrahlung aussendet oder entstehen läßt, dann möglicherweise nur in einem gewissen Umkreis um seine Person - so, wie ein
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