1936 - Im Para-Bunker
anderes. Zu einem solchen Staat gehört es, daß die Gesetze nicht nur dann angewandt und befolgt werden, wenn es einem wunderbar in den Kram paßt. Einen echten Rechtsstaat erkennst du daran, daß die Gesetze befolgt werden, auch wenn es einem durchaus nicht gefällt. Infolgedessen werden wir Garron so behandeln, wie wir es mit allen anderen Verbrechern auch tun - wir töten sie nicht einfach, wir stellen sie vor Gericht, und dort müssen wir peinlich genau beweisen, in welchem Maß sie schuldig sind. Niemand darf bei uns Ankläger, Richter und Henker in einer Person sein, nicht ich und auch nicht du. Also, wenn du Garron unbedingt an den Kragen willst, dann wirst auch du große Schwierigkeiten bei uns bekommen. Klar?"
Ich winkte ab. Mochte sein, daß sie recht hatte. Meinetwegen. Wenn ich Garron zu fassen bekam ...!
Mochten sie mich dafür hängen - was sie, wie Gia de Moleon ja gerade ausgeführt hatte, bestimmt nicht tun würden ...
Das Enterkommando hatte inzwischen die ADIA erreicht. Die Reaktionen der Männer und Frauen kannte ich bereits, auch den Anblick, der sich ihnen bot. Und keiner von ihnen hatte eine Seelena an Bord!
Ich sah, wie Gia de Moleon schluckte. Die Reaktionen ihrer Leute machten ihr zu schaffen.
„Tot!" sagte die Kommandantin des Enterkommandos. Sie hatte Tränen in den Augen, beherrschte sich aber mustergültig.
Quatsch, was ist daran mustergültig, sich angesichts dieser Bilder des Grauens gelassen darzustellen?
„Alle tot, alle, die gesamte Besatzung und alle an Bord befindlichen Patienten. Sie sehen aus wie ...
Entschuldigung, Gia ..."
„Ich weiß schon", sagte Gia de Moleon sehr sanft.
Die Frau schrie: „Es sind Kinder darunter, Kinder!"
Vincent Garron, du abscheuliches Monstrum in Menschengestalt. Hüte dich, mir jemals wieder zu begegnen. Das Gesetz mag nicht auf meiner Seite sein, aber das wird mich nicht kümmern und nicht hindern.
Ich bin Arzt, ja, das stimmt, und mein Lebensziel ist, Menschenleben zu retten und Kranke zu heilen. Aber dich will ich töten, und je grausamer, um so lieber!
„Habt ihr Garron gefunden?"
Es reichte nur zu einer knappen Formelantwort. „Negativ!"
„Was, er ist nicht an Bord?"
„Er ist dort gewesen", sagte ich schnell. „Der Zustand der Leichen wird es beweisen." Ich sprach die Kommandantin unmittelbar an. „Wie sehen die Leichen aus - als hätte man sie gekocht?"
Die Frau wandte uns jäh den Rücken zu. Die Geräusche bewiesen, wie sie reagierte, eindeutig.
„Untersucht den Transmitter!" befahl Gia de Moleon; ihre Stimme war unruhig geworden. „Ich brauche vor allem die exakten Zielkoordinaten des letzten Transportvorgangs!"
Es dauerte fast zehn Minuten, zehn endlos lange, qualvolle Minuten. Vincent Garron machte uns auch dann zu schaffen, wenn er gar nicht da war.
„Der Transmitter ist seit dem Start nicht benutzt worden, Gia!" wurde ihr gemeldet.
Die TLD-Chefin blickte mich an, dann stieß sie unbeherrscht einen grimmigen Fluch aus.
„Auch das noch!" stieß sie aufgeregt hervor. „Der Kerl ist allem Anschein nach auch ein Teleporter. Es ist, als sei der Supermutant Ribald Corello in unser Zeitalter zurückgekehrt ..."
„Wie weit kann ein Teleporter springen?" fragte ich kalt.
Gia de Moleon - man sah es ihr an riß sich zusammen.
„Gucky würde es, wenn er einen SERUN trägt, bis zu jedem Planeten im Sonnensystem schaffen", antwortete sie. „In mehreren Sprüngen. Jedenfalls wird das allgemein behauptet."
„Fehlt an Bord ein SERUN?" wollte ich wissen.
Wieder vergingen einige Minuten. Und jede Sekunde half Garron, sich von uns zu entfernen und sich in Sicherheit zu bringen.
„Die Syntronik sagt nein!" kam schließlich die Antwort.
Ich blickte Gia de Moleon an.
„Die ADIA steht dicht über Mimas", sagte ich leise. „Er ist dorthin gesprungen. Gott sei den Menschen dort gnädig!"
Gott, falls es ihn überhaupt gibt, mag gnädig sein. Ich für meinen Teil sicherlich nicht!
7.
Terrania, Mai 1273 NGZ „Wie viele?"
Gia de Moleons Stimme klang belegt. Die Liste von Vincent Garrons Opfern wurde mit jedem Tag länger und länger. Inzwischen war das Leichenzählen bei dem Wert siebenhundertsiebzehn angekommen.
Das war nicht viel, wenn man an die Milliarden von Erdbewohnern dachte. Auf der Erde und anderen dicht besiedelten Welten der Milchstraße starben jeden Tag zwischen hundert- und zweihunderttausend Menschen, wahrscheinlich sogar sehr mehr, und die meisten dieser Toten bildeten nur eine Ziffer in
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