1938 - Die Farben des Bösen
weiter überwachen lassen, bis er ihn von selbst zu dem Geheimnis führte. Brant war sicher, daß das gerade heimlich beobachtete Treffen nicht das einzige dieser Art war.
„Du kannst also deine Bewacher jetzt wieder von mir abziehen", fügte der Milliardär hinzu und lachte.
„Oder denkst du, daß ich das nicht bemerkt habe?"
„Ich weiß nicht einmal, von wie vielen Leuten ich überwacht werde", erwiderte Brant. „Das ist Zimas Sache. Ich werde ihm jedoch sagen, daß wir uns momentan keine Sorgen zu machen brauchen. Der Wahlkampf ist jetzt wichtiger. Aber ich will ehrlich sein, Joskar: Danach werden wir ein offenes Gespräch führen.
Gleichgültig, wie die Wahl ausfällt."
„Auf dieses Gespräch werde ich mich freuen", behauptete J. J. „Ich habe nämlich nichts mehr vor dir zu verbergen. Nichts, was nicht auch Georg herausfinden könnte. Ich weiß, daß ich dein Vertrauen mißbraucht habe, aber ich schwöre dir nochmals, es war nur einmal, bei unserem Kennenlernen. Ich werde alles tun, um dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen."
„Nun ja, ich vertrete den Standpunkt, daß jeder eine zweite Chance verdient hat", meinte Solder Brant.
Er wunderte sich schon gar nicht mehr, wie leicht ihm auf einmal die Lügen über die Lippen kamen.
Anscheinend war so etwas ansteckend wie eine Krankheit. In jedem Fall hatte sich J. J. hochgradig mit ihr infiziert.
Der Kandidat wußte, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als das schmutzige Spiel mitzumachen, bis er die ganze Wahrheit kannte. Und dann würde ihm schon eine Lösung einfallen.
7.
Die Farben der Lüge
Tuyula wollte nicht nörgeln, aber sie fühlte sich beiseite geschoben. Seit sie sich in den Büroräumen niedergelassen hatten, war Vincent oft abwesend und schien ganz zu vergessen, daß sie überhaupt da war. ‘ Allerdings durfte sie nichts auf eigene Faust unternehmen; gerade in diesen Momenten verlangte er, daß sie ständig in seiner Nähe blieb. Tuyula wußte, daß Vincent weiter an seinen Mutantenfähigkeiten arbeitete, indem er ihre Gabe der Psi-Verstärkung nutzte.
Das Mädchen brauchte dazu inzwischen kaum mehr etwas tun. Sie stellte die paramentale Verbindung zu Vincent her, und alles Weitere übernahm ihr großer Freund. Sie wurde dabei stets etwas müde, als würde er Energien aus ihr saugen. Aber das war nur anfangs, dann ließ es nach.
Irgendwann ließ auch ihre Konzentration nach, aber das störte Vincent nicht einmal. Ihm genügte es, daß sie sich in seiner Nähe aufhielt, sobald der mentale Kontakt hergestellt war.
Verständlicherweise wurde es dem Mädchen schließlich langweilig. Um nicht einzuschlafen, begann es zu spielen. Es lief so schnell wie möglich rückwärts, um das hintere Augenpaar zu testen; sprang und hüpfte an den abschüssigsten oder am wenigsten gesicherten Stellen herum, um die aufgestauten kindlichen Energien abzulassen und den Gleichgewichtssinn auf die Probe zu stellen. Dann wieder verdrehte die kleine Blue den Kopf so lange, bis der Hals fast verrenkt war, oder versuchte die unmöglichsten Haltungen. Die verschiedenen Perspektiven, die sie dabei mit ihren beiden Augenpaaren erlebte, reizten sie zum Lachen.
Vincent war dann manchmal auch gereizt, aber nicht zum Lachen. Wenn Tuyula übertrieb, wurde ihre Verbindung unterbrochen und damit seine Konzentration. Abrupt kehrte er in die Wirklichkeit des Normalraums zurück.
Dann stritten die beiden miteinander, und es endete damit, daß Tuyula schmollte und Vincent verzweifelt bemüht war, sie zu beruhigen. Das waren die Momente, in denen er losrannte und Leckereien besorgte oder ihr andere Wünsche erfüllte. Die Blue plärrte nach einem Trivideo, und sie bekam es. Dann wieder wollte sie Spielzeug oder ein bequemeres Bett, und sie bekam auch das.
Solche Szenen konnte es mehrmals am Tag geben, so daß Vincent einmal glaubte, schon wochenlang in der verlassenen Baustelle Unterschlupf gesucht zu haben. Dabei waren es erst drei Tage ...
Nebenbei aber konnte Vincent Garron sich auch um sein eigentliches Vorhaben kümmern.
Tuyula erlebte mit, wie bald nach der „Inbesitznahme" des Verstecks immer mehr Besucher kamen und gingen. Es kam ihr fast vor wie in einem Tyrrtiun-Haufen auf Gatas, in dem es auch nur so wuselte.
Erstaunlicherweise beeinflußte Vincent nur Männer.
Tuyula machte sich natürlich ihre Gedanken darüber. Vincent wußte, daß sie ihre Mutter immer noch vermißte, obwohl sie oft so schlecht behandelt worden war. Vielleicht wollte
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