1938 - Die Farben des Bösen
geheimnisvollen Männer gehabt", berichtete er. „Er hat am 15. Juli, also morgen, ein Treffen in einem leeren Büroneubau vereinbart."
„Mit wem?" wollte Brant wissen.
„Es wurde kein Name genannt. Was soll ich tun?"
„Deine Leute abziehen."
Zima machte ein entgeistertes Gesicht. „Aber weshalb?"
„Weil ich mich persönlich darum kümmern werde."
„Du bist verrückt! Das kann ich nicht zulassen!"
Solder Brant stand auf. „Du wirst es zulassen müssen, Georg, denn das ist eine klare Anweisung. Das ist jetzt allein meine Sache. Ich will nicht, daß irgend jemand mit hineingezoge wird. Es ist zu brisant, und ich will auf keinen Fall so kurz vor der Wahl scheitern. J. J. wird es nicht wagen, mir etwas anzutun."
Georg Zima brach der Schweiß aus, sein Gesicht zeigte hektische rote Flecken. „Solder, ich verstehe dich wirklich nicht", stieß er hervor. „Warum überläßt du das nicht den Profis?"
Solder Brant machte eine ungeduldige Geste. „Weil ich mich selbst davon überzeugen muß, was hier vorgeht!" rief er. „Ich muß an der Basis sein, verstehst du, nur so kann ich das Volk überzeugen!"
„Willst du dich zum Märtyrer stempeln?"
„Georg, seit meiner Gefangenschaft bei den Dscherro habe ich kaum eine ruhige Nacht. Immer habe ich die furchtbaren Bilder vor Augen. Weißt du, weshalb? Weil ich mich schuldig fühle! Schuldig, zuwenig unternommen zu haben. Ich hatte zuviel Angst. Wenn ich mich dieser Angst jetzt nicht stelle, wird das nie aufhören! Du hast genug zu tun, Georg. J. J. bleibt meine persönliche Angelegenheit. Je weniger Leute davon wissen, desto geringer ist die Gefahr eines Skandals. Das gilt selbst für dich."
Zima schüttelte den Kopf. „Ich kann dich einfach nicht verstehen, Solder. Auf einmal willst du wieder den Helden spielen! Das hast du nicht nötig. Basisarbeit, gut und schön. Es ist ehrenhaft, daß du von deinem Podest heruntersteigst und dich unters Volk mischst. Aber es gibt für alles Grenzen!"
„Denk, was du willst! Die Hauptsache ist, du fügst dich meinen Wünschen." Damit verließ Solder Brant das Büro.
*
Georg Zima schaute ihm mit gemischten Gefühlen hinterher. Einen langen Moment schwankte er, ob er Solders Anordnungen Folge leisten sollte oder nicht. Solder Brant war nicht nur ein Parteifreund. In den letzten Monaten war er zu einem richtigen Freund geworden. Zumindest für Zima. Er wußte nicht, welchen Stellenwert er für Solder besaß.
Irgendwie kam es ihm so vor, als sei der Kandidat in den letzten Tagen nicht mehr er selbst. Seit der Sache mit J. J. hatte er sich geändert. Es wäre wirklich besser, ihn weiterhin überwachen zu lassen, zu seinem eigenen Schutz. Es konnte viele Gründe für sein merkwürdiges Verhalten geben.
Andererseits - wenn er Solder Brant als Freund wirklich vertraute, mußte er sich fügen. Er kannte den Parteifreund lange genug. Und es war sicher ehrenhaft, daß Zima hinter jedem einen Spion vermutete und dementsprechend Vorsorge traf, doch sogar für ihn gab es Grenzen. Solder Brant hatte eindeutig seine Wünsche geäußert. Möglicherweise hatte er Gründe, über die er nicht sprechen wollte - noch nicht.
Unentschlossen, fast wütend auf sich selbst, nahm er Kontakt zu den Bewachern auf und erteilte ihnen die Order, sich von J. J. und Solder Brant fernzuhalten.
Linda kam bald darauf herein und bemerkte sofort die Nervosität ihres Chefs, die nicht der normalen Hektik glich.
„Georg, du wirst doch hoffentlich keinen Herzanfall bekommen?" fragte sie ironisch, jedoch mit einem leisen Unterton des Schreckens.
In den letzten Tagen war es noch verrückter im Wahlbüro geworden, und es war ein Schichtdienst rund um die Uhr eingerichtet worden. Linda war ebenso wie ihr Vorgesetzter kaum mehr zu Hause, und beide hatten Schatten unter den Augen. Beinahe war sie schon so weit gewesen, es ihm gleichzutun und Süßigkeiten zu naschen - doch erstaunlicherweise hatte Georg sie daran gehindert. Er hatte von einem nahe gelegenen Restaurant extra jemanden auf Abruf geordert, der Linda jederzeit in Minutenschnelle zu bringen hatte, was sie wünschte.
Als .Georg nicht antwortete, sondern weiter vor sich hin brütete, kam sie um den Tisch herum und begann sachkundig, seinen Nacken zu massieren.
„Was ist los?" fragte Linda Kordes ernst.
Seltsam, so lange kannte er die Frau noch nicht, Und dennoch zählte sie bereits zu den wenigen Menschen, denen er rückhaltlos vertraute. Georg konnte nicht erklären, weshalb. Es war
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