1938 - Die Farben des Bösen
einfach ein Gefühl - irgend etwas war zwischen ihnen, eine Affinität, obwohl sie so verschieden waren.
„Linda, wenn ein Freund dich um etwas bittet, von dem du weißt, daß es nicht richtig ist und ihm wahrscheinlich schadet - was würdest du tun?"
„Ein richtiger Freund oder nur irgendein Freund?"
„Ein richtiger Freund. Jemand, der dir etwas bedeutet, den du bewunderst."
„Vertraut er dir?"
„Ja." Er überlegte kurz. „Das heißt, ich hoffe es."
„Darin vertraue ihm auch."
Georg seufzte. Er hob die Hand zu seinem Nacken und ergriff Lindas Hand. Fast zärtlich streichelte er diese warme, kräftige und zugleich weiche Frauenhand. „Würdest du das für mich auch tun?"
Sie lachte leise. „Das ist eine unfaire Frage, Georg. Bin ich in dieser schlimmen Lage?"
„Zum Glück nicht."
„Dann stelle die Frage bitte zurück."
Georg Zima seufzte, nicht zum ersten Mal an diesem Tag. Ich bin ein vernünftiger Mensch, dachte er.
Manchmal denke ich: Zum Teufel damit! Aber ich habe keine Wahl. Wenn alle verrückt werden, muß wenigstens einer einen klaren Kopf behalten.
„Georg, es ist schon sehr spät", fuhr Linda fort. „Was hältst du von einer Arbeitsbesprechung bei Kerzenschein? Ich kann diese kahlen Wände hier einfach nicht mehr sehen, die töten noch den letzten Rest meiner Kreativität."
„Also gut." Georg Zimas Verstand rief sein tanzendes Herz streng zur Ordnung. Das hatte gar nichts zu bedeuten. Eine Frau wie Linda würde sich niemals für einen cholerischen, übergewichtigen, um einen Kopf kleineren Workaholic als Mann interessieren.
Trotzdem, diese Vorstellung war angenehm. Er ging in Begleitung einer aufregenden Frau essen und konnte sich in den neidischen Blicken anderer sonnen. Das war keine Selbstlüge, sondern eine anregende Abwechslung, die die Arbeit mit dem Vergnügen verband. Selbst ein Mann wie er durfte hin und wieder träumen.
„Was ist los?" schnauzte er seine Leute an, die für einen Moment die Arbeit unterbrochen hatten, als Linda und er das Büro verließen. „Habt ihr nichts zu tun? Die Nacht ist noch lang! Ich bezahle euch nicht fürs Herumstehen, kapiert?"
*
Tuyula Azyk erwachte, als Vincent Garron sie an der schmalen Schulter schüttelte.
„Was ist denn ...",murmelte das Bluesmädchen schlaftrunken. Dann war Tuyula hellwach. „Müssen wir wieder fliehen?"
In den letzten Tagen hatte Vincent sie stets ausschlafen lassen, bis sie von selbst erwachte.
„Nein, Kleines. Komm, dein Frühstück ist schon fertig."
Tuyula rieb, sich alle vier Augen und starrte dann angewidert auf den dampfenden Teller. „Bäh!" machte sie. „Schon wieder terranische Fertignahrung! Gibt es denn gar nichts anderes mehr? Ich möchte endlich mal wieder gefülltes Sülüdüng haben!"
„Ich habe jetzt nichts anderes da", knurrte Vince. „Komm, iß, damit du gestärkt bist. Ich weiß nicht, wie lange du ..." Er sprach den Satz nicht zu Ende.
Tuyula ließ den Löffel fallen und starrte ihren Beschützer aus wetterleuchtenden Katzenaugen an.
„Was heißt das? Was heißt das?" stotterte sie entsetzt.
„Es ist ... es muß sein."
Das Mädchen warf den vollen Teller an die gegenüberliegende Wand. Er prallte dort ab, den Nahrungsbrei in alle Richtungen verspritzend, und fiel scheppernd zu Boden.
„Du hast es versprochen!" schrie sie. „Du hast es versprochen!"
„Es - es tut mir leid, Tuyula", stammelte Vince. „Ich kann es leider nicht ändern, aber du mußt noch einmal hinein - nur noch einmal, das letztemal!"
„Du hast mich angelogen! Du hast gesagt, du sperrst mich nicht mehr alleine ein!" Die kleine Blue sprang auf und rannte heftig gestikulierend im Raum herum. „Ich will nicht mehr in die Hypersenke! Ich habe Angst, dort allein! Was habe ich denn getan?"
Vincent Garron wirkte sogar in ihren Augen hilflos. „Du hast gar nichts getan, Schätzchen, glaub mir doch. Es dient nur zu deinem Schutz! Es wird jemand kommen, und ich weiß nicht, was geschehen wird ..."
„Ich kann mich doch hier auch verstecken!" heulte Tuyula. Aus den Drüsen unterhalb ihrer Gehörlamellen traten gelbliche, dickflüssige Tropfen aus, die sich wie Harz verhärteten, sobald sie auf den Boden fielen. „Ich kann das sehr gut, wirklich! Niemand wird mich finden!"
„Es geht nicht!" beharrte Vince. „Eines Tages wirst du verstehen, warum ich das getan habe ..."
„Das sagen die Erwachsenen doch immer!" plärrte Tuyula. Sie näherte sich Vincent und suchte bittend nach seiner Hand. „Du
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