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194 - Die Hölle der Erkenntnis

194 - Die Hölle der Erkenntnis

Titel: 194 - Die Hölle der Erkenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Höhe und acht bis zehn Meter Kantenlänge. Er sah aus, als wäre er vor Urzeiten aus dem Himmel gefallen. Matt beobachtete schwarze Gestalten, die auf ihm herumliefen.
    Je näher sie der Senke und der Menschenansammlung kamen, desto deutlicher hörten sie das Stimmengewirr, das über der Menge lag. »Mindestens zweitausend Leute, schätze ich«, sagte Rulfan.
    »Eine Art Telepathenvollversammlung also.« Zwischen den Bäumen und Büschen sah Matt die kleinen, rot bemalten Krieger. »Und unsere lieben Freunde von der Anangufraktion sind auch mit dabei.«
    »Fehlen nur noch wir, wie es scheint.« Aus schmalen Augen und mit grimmiger Miene spähte der bleiche Mann aus Britana über die Köpfe der Menge. Matt begriff: Er suchte nach Aruula.
    Die Anangu ihrer Eskorte hielten respektvoll Abstand von ihnen, wichen aber nicht von ihrer Seite. Ulros winkte sie hinter sich her, als er zwischen den Sitzenden zum Steintisch hinunterstapfte. Die Leute machten Platz, und ihre Gespräche verstummten, wenn Matt und Rulfan an ihnen vorbeigingen.
    Gleichgültige Blicke trafen sie.
    Vom roten Steinklotz aus stieg inzwischen eine Rauchfahne in den Himmel. Sie hatten ein Feuer dort oben entzündet. Die Sonne stand bereits tief im Westen, der Abend war nicht mehr weit.
    Etwa dreißig Meter vom Steinblock entfernt bedeutete Ulros den beiden Männern mit einer knappen Handbewegung, sich zu setzen. Rulfan breitete seine nassen Kleider zum Trocknen im Gras aus und ließ sich nieder. Matt zog sich an, bevor er sich setzte. Sein Anzug und seine Wäsche waren bereits trocken. Auch die Krieger ihrer Anangu-Eskorte mischten sich unter die Sitzenden, doch keiner weiter weg als höchstens zwanzig Schritte.
    Matt Drax sah sich um. Er entdeckte Cahai nur ein paar Meter entfernt neben einem vergilbten Strauch. Matt winkte ihm zu. »Wie geht’s dir, mein Junge?« Der schlitzäugige Säbelmann reagierte nicht.
    »Wo ist Victorius?«, rief Rulfan. Keine Antwort. »Hast du Vogler und Clarice gesehen?« Nichts.
    »Hey, Cahai!«, rief Matt noch einmal. »Wir reden mit dir, hörst du nicht?!«
    Jetzt erst wandte der Chinese seinen Kopf. »Gut«, sagte er mit ausdrucksloser Miene. »Alles wird gut.« Er wies nach links, wo ein Mammutwaran den Hang herunterstampfte. »Der HERR wird durch Gauko’on zu uns reden.«
    Auf dem Waran saßen drei weißhaarige Anangu, uralte Männlein. Matt und Rulfan erkannten sie sofort: Es waren dieselben Schamanen, die sie Wochen zuvor in ein albtraumhaftes Duell gelockt hatten.
    Vor dem Stein hielt der Waran an. Junge Krieger halfen zwei Greisen von ihrem exotischen Reittier. Der dritte stieg aus eigener Kraft ab.
    »Cahai ist nicht mehr er selbst«, raunte Rulfan dem Mann aus der Vergangenheit zu.
    »Das ist hier keiner mehr, fürchte ich.«
    Zwei der Greise setzten sich in Holzverschläge, die danach mit Stricken auf den Stein hinauf gezogen wurden. Der dritte Greis verschwand aus ihrem Blickfeld. Vermutlich stieg er auf der Rückseite des Quaders über eine Stiege auf die Oberfläche des Steins. Dort hievten gerade zwei Anangukrieger einen rußgeschwärzten Kessel auf das Feuer.
    »Hör zu, mein Freund.« Rulfan beugte sich zu dem Mann aus der Vergangenheit. »Gleichgültig, was sie mit uns anstellen – wir trinken nichts, was sie uns anbieten.«
    »Verlass dich drauf«, raunte Matthew Drax. Mit Schaudern dachte er an den Augenblick, als er in einer finsteren Höhle aus einer Bewusstlosigkeit aufgewacht war, in die er gestürzt war, weil er ein Gebräu dieser uralten Schamanen zu sich genommen hatte.
    Das Greisentrio erschien auf dem Stein. Zwei setzten sich ans Feuer, der dritte stellte sich an den Rand des Findlings. Er hob beide Arme. Augenblicklich verstummte das Stimmengewirr auf den Hängen der Senke. »Der HERR spricht zu euch!«, rief der Greis. »Hört seine Worte aus dem Munde seines Dieners Gauko’on! Der große Kampf steht kurz bevor…!«
    ***
    Das Meer war eine endlose dunkelblaue Platte. Das Zentralgestirn senkte sich bereits dem Horizont entgegen. Ein graues Wolkenband versperrte wie eine Mauer den Himmel in Flugrichtung. Darunter glaubte Grao’sil’aana einen dunklen Streifen zu entdecken – Land. Der Daa’mure hatte seinen Gefangenen auf dem Nacken des Rochens festgebunden. Er selbst kauerte auf dem Rücken des Flugfisches zwischen Thgáans mächtigen Schwingen. So hatte er Daagson jederzeit im Blickfeld.
    Die Vögel, die gar keine Vögel waren, hatten sich längst wieder aufs Festland zurückgezogen.

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