194 - Die Hölle der Erkenntnis
klatschten auf die Haut des Rochens und in das Haar des gefangenen Primärrassenvertreters.
Auf einmal perlte etwas wie ein Gelächter durch Grao’sil’aanas Aura. Der Daa’mure fuhr hoch. Was war das?
Stocksteif saß er und lauschte. Der Gefangene zuckte und zitterte. War das Gelächter aus seinem Geist gekommen? Sollte diese mordgierige Kreatur ihn verspotten wollen?
Regentropfen prasselten jetzt auf den Rochen, auf die Decken, auf das zuckende Gesicht und in die krausen Haare des Bewusstlosen.
Grao’sil’aana drang in seinen ohnmächtigen Geist ein und tastete nach der Quelle des Gelächters. Doch in den Abgründen von Daagsons Gehirn fand er weiter nichts als ein Chaos aus Wut, Angst, Hass, Verwirrung und Angriffslust.
Grao’sil’aana beugte sich über ihn, während ihm der Regen auf den Rücken klatschte und dichte, von Thgáans Schwingenschlägen aufgewirbelte Dampfschwaden an ihm vorbeizogen. Zeitenweise sah er nicht einmal die Schwingenspitzen und den Schädel des Rochens. Er sah aber, dass sein Gefangener den Mund öffnete und schloss, schnappend, als wollte er jemanden beißen. Und auch die Augen riss er von Zeit zu Zeit auf und verdrehte sie nach oben, sodass nur das Weiße des Augapfels zu sehen war.
Grao’sil’aana konzentrierte seine mentale Kraft auf seinen Gefangenen und versuchte die Paralyse des fremden Geistes wieder zu vertiefen. Es gelang ihm nicht. Daagson zitterte, zuckte, kaute und rollte mit den Augen.
Ob der wachsende Erregungszustand des bewusstlosen Primärrassenvertreters womöglich mit der Annäherung an den Kratersee zusammenhing?
Bevor Grao’sil’aana der Frage nachgehen konnte, traf ihn eine energetische Welle mit solcher Intensität, dass seine Gestalt sich straffte und er den Atem anhielt. Waren das Gravitationswellen aus dem Wandler? Nein, die fühlten sich anders an! Dies hier waren Empfindungsströme einer fremden Aura…!
Die Wolkendecke riss auf. Etwa viertausend Meter unter dem Rochen und Grao’sil’aana breitete sich das fast leere Kraterseebecken aus. Dunkel und schroff ragte nicht ganz hundert Kilometer entfernt das Massiv des Wandlers aus dem Seegrund in die Wolken. Und wieder perlte es durch Grao’sil’aanas Aura wie ein Gelächter…
***
»… freut euch, ihr Auserwählten des HERRN! Der Tag der großen Schlacht ist nahe, und glücklich, wer an der Seite SEINER Diener gegen den Feind kämpfen darf!«
Männer und Frauen fielen einander in die Arme, manche weinten vor Freude, so sehr brachte die gute Nachricht sie in Wallung. Viele Telepathen klatschten in die Hände, einige brachen in Jubelrufe aus. Auch der junge Chinese Cahai.
»Glücklich, wer auf der Seite des Siegers kämpft!«, schrie er.
Rulfan, der ihn bisher nur als Glücksspieler, Betrüger und Meuterer kennen gelernt hatte, beobachtete ihn. »Der Steingeist hat ihm die Persönlichkeit geraubt«, sagte er leise.
»Nicht nur ihm – allen hier!«, zischte Matt zurück.
»Verstand, Willen und Persönlichkeit!« Er sah sich um. »Es ist wie eine Massenpsychose. Aber offenbar sind nur Telepathen betroffen. Zum Glück!«
Seine Blicke suchten die Menge ab. Wo war Aruula? Wo die anderen Gefährten? Wenn alle Telepathen hier versammelt waren, müssten doch auch Aruula, Victorius und Vogler unter den Zuhören sein. Doch Matthew konnte sie nirgends entdecken. Hatte ihre Abwesenheit mit Daagsons Verschwinden zu tun?
»Abermillionen von Wintern schon wacht der Ahne über diese Welt und hält Ausschau nach dem Feind!«, rief Gauko’on von seinem Steinblock herab. »Bereits vor einem halben Jahrtausend näherte sich einer der Feinde dieser Welt, und der Ahne sammelte unsere Vorfahren am Uluru, damit sie eine unterirdische Stadt bauten zum Schutz vor dem großen Feuer, das mit ihm vom Himmel fiel… Doch schien es, als sei der Feind leblos und keine lohnenswerte Beute, und der Ahne verzichtete darauf, gemäß seiner Bestimmung einen Ruf zu den Sternen auszusenden. Dann aber, vor zwei Umläufen erst, erwachte der Feind aus seiner Leblosigkeit. Seit jener Zeit sendet unser HERR den Ruf aus, und wir bereiten uns auf die Schlacht vor.«
Mit großen Augen und vor Ehrfurcht offenen Mündern hingen die Zuhörer rund um den Stein an den Lippen des Greises, der nun erschöpft eine kurze Pause einlegte.
»Er ist außer sich«, flüsterte Rulfan. »Er redet wie in Trance.«
»Er ist in Trance«, entgegnete Matthew Drax. »Der Finder spricht durch ihn.« Böse Blicke von allen Seiten forderten sie auf
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