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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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posthum versucht hat, ihn zu beschneiden, so ist er doch dort geblieben, wo er begraben wurde, selbst wenn man ihn umgebettet haben sollte. Im ewigen und gottfreien Himmel gibt es Iska den Partisan, wie immer er geheißen hat.

11
    Einige Monate früher, im Kibbuz Sdot Yam, kurz nachdem die Frau von der Lechi verschwunden war, hieß es, wir würden ausrücken, um Caesarea zu erobern, das für uns ganz im Sand verborgen lag, nur das Minarett der Moschee und die Mole ragten heraus. Die Mole ruhte auf hellen Marmorsäulen, die Lady Hester Stanhope – die gesagt haben soll, Palästina sei ein erotisches Land – im 19. Jahrhundert aus Aschkelon hatte herbeischaffen lassen. Als Junge hatte mein Vater mich gern zu dem Bosnier mitgenommen, der auf der Mole von Caesarea ein kleines Museum eingerichtet hatte. Er schickte dann ein Auto zur Straße, um uns abzuholen. Er war ein netter, dicker Mann mit naivem Lächeln, der eine Menge Münzen, Götterstatuen und Krüge aufbewahrte. Wir saßen mit ihm am Meer, und er brachte zwei Wasserpfeifen. Ein Junge füllte sie mit Kohle, verteilte die Asche und zündete sie an, und der Mann und mein Vater rauchten und unterhielten sich auf Deutsch über ihre Studienzeit in Heidelberg.
    Und jetzt hieß es, wir sollten Caesarea erobern, weil ein illegales Flüchtlingsschiff erwartet würde und die Araber störten. Ich sagte, die Leute seien keine Araber, sondern Bosnier. Die anderen sagten, Araber bleibt Araber, selbst wenn er Bosnier ist. Ich sagte, er ist Bosnier. Sie sagten, na gut. Und erklärten, es dürften nicht so viele störende Araber dort bleiben. Und was seien denn wohl Bosnier?Allesamt Araber. Einer von uns wurde losgeschickt, die Stadt auszuspähen und eine Karte zu zeichnen, und am Morgen brachen wir auf. Es war dunkel. Wir ruderten mit zwei Booten, »Dov« und »Tirza«, hinaus, ohne Segel, sechs Ruderer pro Seite. Wir hatten zwei Gewehre: Das eine schoss, das andere hatte man aus dem Versteck geholt und gereinigt, aber wir wussten, dass es nicht schießen würde. Wir erreichten das Ende der Bucht. Ari-Name-geändert und Chaim-Einhalb schossen. Das eine Gewehr feuerte, man versuchte es noch mal mit dem ersten, doch die sandige Patrone blieb im Lauf stecken, der Lauf krümmte sich, die armselige Patrone trat heraus und hing einen Moment in der Luft, ehe sie abfiel wie der Spermatropfen eines alten Mannes.
    Wir sprangen an Land und sahen die Bosnier abziehen. Sie gingen langsam, sahen nicht aus, als seien sie überrascht oder auf der Flucht. Sie schritten auf ihre feierliche Art dahin, trugen ihre Habseligkeiten mit Würde und Stolz. Mischka schlug auf einen Blechkanister, um mehr Lärm zu erzeugen, und ein Kleinflugzeug der Hagana flog langsam über uns, ging niedriger, um eine Bombe abzuwerfen, aber die explodierte in der Luft und fiel in die Dünen. Der Bomber geriet ins Schlingern und zog wieder hoch, wie so ein jiddischer Cowboy. Die Bosnier stapften nun schon durch den Sand, ich sah sie in aller Ruhe gehen. Vielleicht lag die Trauer in ihrer Gangart, was ich damals nicht verstand, aber heute verstehe. Ich fragte Ari-Name-geändert, wen sie hier störten, und er sagte: Sie stören mich einen Arsch, bloß dürfen hier einfach keine Araber sein, deshalb werden sie vertrieben. Ich ging ins Museum. Der Freund meines Vaters hatte einige der selteneren Stücke mitnehmen können. Ari-Name-geändert tauchte hinter mir auf und wollte rein. Ich hielt ihn aufund bat ihn, nichts wegzunehmen. Er schubste mich nachsichtig beiseite und ging kurz rein. Ich lief ihm nach, er schlüpfte wieder nach draußen, hob die Hände und sagte: Schau, sie sind sauber!
    Wir setzten uns und rauchten, bis ein Vorgesetzter kam und rief: Caesarea ist in unseren Händen! Als hätten wir Herodes und die Römer besiegt und die Deutschen gleich noch mit. Er hörte sich begeistert an. Ich fragte ihn: Wieso in unseren Händen? Was soll das denn heißen? Und jemand anders sagte zu ihm: Du bist ein ganzer Kerl! Hurra! In der Ferne sah man noch die Flüchtlingskolonne. Die Leute trugen Mäntel und Hüte und wirkten schon wie Ameisen im Sand. Am Ende der Kolonne sah ich ein Mädchen, das ein grünes Mäntelchen trug und eine Puppe in der Hand hielt. Sie blickte sich um und wurde von einem »Araber« mitgezogen, in dem ich den Bosnier, den Freund meines Vaters, erkannte. Ich wurde traurig, tat aber nichts. Das, was ich sah, hatte noch keinen Namen und keinen Titel. Der Mann war eine leichte Bewegung in der Landschaft.

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