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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Landstrichs, veranstalteten sie Aufmärsche, und die Araber aus dem benachbarten Dorf Sumail kamen als Deutsche verkleidet dazu. Die Briten hatten alle Deutschen vertrieben, zumeist nach Australien, aber nun waren sie selbst gerade gegangen. Ihr scharfer Geruch hing noch in den hübschen deutschen Häusern. Ari-Name-geändert fand Pariser, die man heute Kondome nennt. Sobald er konnte, verkaufte er sie teuer, wobei er allen erklärte, sie seien ein hervorragender Sonderposten, denn sie stammten aus England und seien, anders als die Kondome in Erez Israel, wirklich frei – frei von Löchern.
    Wir wurden auf dem Speicher eines schönen alten deutschen Hauses mit Ziegeldach, nahe der Ölpresse, einquartiert und richteten uns in dem großen Dachboden ein. Lastwagen fuhren vor, Kisten wurden abgeladen. Die Kistenenthielten Waffen und Munition und waren am selben Morgen mit dem Schiff »Nora« eingetroffen. Es waren tschechische Waffen, die ursprünglich für die deutsche Wehrmacht produziert, nach Kriegsende jedoch in den Arsenalen geblieben waren. Die Russen, die als Erste für die Gründung eines jüdischen Staates eingetreten waren, hatten Anweisung erteilt, die Waffen nach Palästina zu schicken. Die Ladung war illegal ins Land gelangt, und später begriffen wir, dass wir ohne die »Nora« mit Efraim Ilin den Krieg um Jerusalem aus Waffenmangel verloren hätten. Das Schiff hatte rund zehntausend Gewehre, haufenweise Munition, einige Maschinengewehre und nicht wenige Maschinenpistolen mitgebracht.
    Wir saßen auf dem Speicher, packten die eingeölten Waffen aus und säuberten sie mit Benzin. Unsere Köpfe drohten zu zerspringen von dem penetranten Benzingeruch und den Gaswolken, die uns einnebelten. Wir stiegen runter und aßen was. Ein junger Mann mit Anzug und Krawatte kam und sagte, er sei zu uns abkommandiert worden, sein Name sei Jehoschua, aber er werde kurz Schimon genannt. Es hieß, er habe im Casino von Bat Galim in Haifa Tangos gesungen, dabei ein Mädchen gefunden und gesagt, er wolle intim werden, und sie habe zwar zugestimmt, aber mittendrin erklärt, er müsse sie heiraten, und er war schon auf dem Höhenflug und versprach, sie zu ehelichen, und tat es auch, denn auf jeden Beischlaf müsse ja die Hochzeit folgen, und sie schenkte ihm einen Sohn. Eines Tages ging ich mit Jehoschua spazieren und hörte mir seine Eheklagen an. Und dann fand ich eine zerschlissene Puppe mit funkelnden gelben Augen, wohl von einem kleinen deutschen Mädchen. Plötzlich wurde mir traurig zumute wegen der Deutschen, die so viele Jahre hier gewohnt hatten, und wegen der Arabervon Sumail, die mit ihren deutschen Arbeitgebern Nazi-Aufmärsche in Kirjat Meir veranstaltet hatten und nun weg und vertrieben waren. Ein bitterer Geschmack schnürte mir die Kehle zu.
    Drei Tage lang reinigten wir die Waffen. Um nicht einzudämmern, sangen wir »Sie wird kommen ohne Pyjama, wird sie, sie wird kommen ohne Pyjama, wird sie« und so weiter, und »Sie hat ein Holzbein mit Scharnier dran / und den Arm hängt sie an die Wand« und »Jahrhunderte haben wir Pitas gegessen und aus Mokkatässchen getrunken / bis die Ben Gurions und die Schertoks und die Weizmanns kamen / und sagten, Palästina werde ihnen gehören / und wir sollten in die arabische Wüste ziehen«.
    Wir justierten die Gewehre nach den Anweisungen eines Typs, der ein Anführer sein sollte, aber kaum älter als ich aussah, und schafften sie hinaus. Es war ein regnerischer Tag, von den nahen Orangenhainen wehte lieblicher Duft, durch den Regen klang leises Weinen, und so eine Prinzessin in kurzen Hosen kam an und sagte: Na was, ihr seid also die großen Krieger, was denn für welche, wofür haltet ihr euch eigentlich. Und wir wussten nicht, was sie meinte, weil sie weder Frage- noch Ausrufezeichen setzte. Fragezeichen waren damals vernünftig. Die Zeitungsüberschriften brachten keine Nachrichten, sondern Fragen: Gibt es Krieg? Wird Amerika uns unterstützen? Und die junge Frau sagte: Ihr seid Mamas Lieblinge, ein harter Krieg geht los, und ihr seid doch gar nicht vorbereitet. Deshalb geht ihr jetzt – und das ist ein Befehl – zu dem blauen Haus neben dem Zitronenbaum, und jeder erhält ein Gewehr und eine Patronentasche. Dass ihr mir aber nicht mit der Waffe spielt. Und dann gehen wir brav schlafen wie ein alter Tatele , und übermorgen werdet ihr abgeholt.
    Am Morgen merkte ich, dass Ari-Name-geändert verschwunden war. Ich hatte schon gelernt, lieber nicht nach seinem Verbleib

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