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195 - Verloren im Outback

195 - Verloren im Outback

Titel: 195 - Verloren im Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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versuchten es über das Gerüst der Swebibaan, das mit dem Fluss nach Osten verlief. Sie wurden in der Regel von Taratzen oder Raubvögeln gesichtet und endeten als deren Atzung. Wer das Leben liebte, ging anders vor. Hellas Methode war nicht ohne: Auf einem hohen Findling stehend, schleuderte sie einen Anker an einem Seil über den Sumpf hinweg, bis er sich im Geäst eines Baumes verfing.
    Hella war ein Wurftalent. Nach dem dritten Versuch hatte sie ihr Ziel erreicht und schwang sich, als hinge sie an einer Liane, auf die andere Seite. Sie landete mit einem dumpfen Plumps in einem Farnwald, kletterte auf den Baum, löste den Anker und warf ihn zu Aruula zurück. Aruula brauchte erheblich mehr Würfe, bis der Anker einen Halt fand, der hoch genug war.
    Der Absprung vom Findling war ihr nicht ganz geheuer, und als sie einen knappen Meter über dem Sumpfgürtel dahin schwang, peitschte plötzlich ein dicker, mit Saugnäpfen versehener Tentakel aus dem Pfuhl und versuchte eins ihrer Beine zu erwischen.
    Hella, die ihren Flug aus der Ferne beobachtete, schrie auf, doch Aruulas Reflexe waren die einer gesunden Siebzehnjährigen: Sie zog blitzschnell die Beine an und der Tentakel griff ins Leere.
    Der Leukomorph stieß ein frustriertes Blubbern aus. Schon war seine Beute auf der anderen Seite angekommen und sprang zu Boden.
    »Das war knapp.« Aruula schaute sich um. Es war kaum zu glauben, wie finster es hier war. Schaute man zum Himmel hoch, gewann man den Eindruck, gleich bräche die Nacht herein.
    Die Dunkelheit legte sich wie eine Glocke über die Landschaft. Je tiefer sie in den Urwald vorstießen, umso mehr gelangte Aruula zu der Überzeugung, dass das Phänomen, das diesen Teil des Tals vom Rest absonderte, auf magische Weise entstanden war.
    Hella war anderer Meinung: Sie murmelte etwas von
    »Taschenspielertricks«, die irgendwann ein kluger Kopf enträtseln würde. Dass Götter oder gar ein Dämon wie Orguudoo ihre Finger in diesem Spiel hatten, fand sie lächerlich. Sie ließ kein gutes Haar an den höheren Mächten, die die Menschen immer dann anriefen, wenn sie bis an den Hals im Wakuda-Dung steckten. Für jene Menschen, die sich als Verkünder oder Wächter eines Glaubens aufspielten, hatte sie nur Häme übrig. »Das sind im besten Fall Geisteskranke – und im schlimmsten Betrüger.«
    Die Hügel waren hier unten, am Talboden, kaum sichtbar.
    Das Zwielicht gaukelte einem merkwürdige Gestalten und Formationen vor. Manchmal glaubte Aruula die Meeresbrandung rauschen zu hören, die gegen Felsenklippen schlug. Doch hier gab es kein Meer, nur die Wuppoh, die wie ein träges, schlangenhaftes Lebewesen dahin strömte. Obwohl erst früher Nachmittag, funkelten schon Sterne am Himmel.
    Bald sahen sie die Ruinen einer Äonen alten Stadt, hinter deren Fenstern Lichter flackerten, die erloschen, sobald man ihnen näher kam.
    Der Belag der uralten Straßen war aufgeplatzt. Dünne Birken wuchsen überall. Rinnsale, die üble Gerüche verströmten, kamen von irgendwoher und liefen irgendwohin.
    Aruula und Hella überwanden einen Hügel und sahen eine Ansammlung von Gebäuden auf einer von mannshohen Pilzen überwucherten Ebene liegen.
    Sie erblickten Giebeldächer, abgebrochene Schornsteine und eine rostige Brücke über die Wuppoh und kamen, nachdem sie sie überquert hatten, in ein endloses Labyrinth enger Gassen mit halb eingestürzten Häusern, die von der Zeit nur wenig berührt schienen.
    Pfeifendes Kleingetier, vermutlich Ratzen oder Gerule, huschten davon, sobald ihre Stiefel den Boden zum Schwingen brachten. Große kahlköpfige Vögel mit roten Augen, pickliger weißer Haut und schwingenden Kehlsäcken stiegen bei ihrem Anblick in die Lüfte und erfüllten sie mit einem aggressiv klingenden Krächzen.
    Aruula schauderte, als sie an einen runden Platz kamen, auf dem ein bleiches Wesen einen meterlangen Rüssel in einen Brunnen tauchte. Als das Tier – wenn es denn eins war – die bewaffneten Frauen erblickten, stieß es einen Hahnenschrei aus und verschwand in der Finsternis zwischen den Ruinen.
    Hätte Aruula sich Hella nicht verpflichtet gefühlt, wäre sie spätestens nach der Begegnung mit dem weißen Wurm in die Helligkeit zurückgekehrt. Doch dass der Wurm mehr Angst vor ihnen hatte als umgekehrt – er grub sich ein und schied einen dicken grünen Strahl aus – beruhigte sie. Außerdem dachte sie an den armen Grimolf, der wahrscheinlich ganz allein durch diesen Albtraum wanderte.
    Je tiefer sie in die

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