195 - Verloren im Outback
Tücher darüber gehängt. Die Rinde war borkig. Vernarbt, irgendwie.
Nachdenklich fuhr Daa’tan mit den Fingern daran entlang – stutzte und zog die Hand weg.
Das war kein Holz!
Sein Blick wanderte unschlüssig zu Nuntimor und wieder zurück. Sollte er versuchen, ein Scheibchen abzuschlagen, um zu sehen, woraus der Pfahl bestand? Nein, besser nicht. Unter der verholzten Oberfläche war Leben, das konnte Daa’tan spüren. Und er hatte heute bereits eine Pflanze getötet, daraus wollte er keine Gewohnheit machen.
Popp!, ging es über dem Feuer, als das Abendessen platzte.
Daa’tan zog die qualmende Schlange rasch herunter, legte sie zum Abkühlen ins Gras. Sie war ziemlich verbrutzelt, beinahe schwarz. Zwei, drei Minuten später wäre sie in Flammen aufgegangen.
Daa’tan vergaß den Pfahl und das Grübeln für eine Weile und fiel über sein Essen her. Es schmeckte unerwartet gut, und so kaute er, was die Zähne hergaben. Teilen brauchte er seine geschlängelte Grillwurst nicht: Die Kukka’bus waren eingeschlafen.
Daa’tan wischte sich das Fett von den Lippen. Er war so ausgehungert! Er hatte den ganzen Tag nichts zu essen bekommen, musste all seine Prüfungen mit leerem Magen bestehen. Wie sehr ihn das mitgenommen hatte, merkte der Neunzehnjährige erst jetzt. Seine Hände zitterten, und er konnte das Schlangenfleisch gar nicht so schnell herunter schlingen, wie es seine Gier nach Nahrung verlangte.
Er ließ nichts übrig außer den Knochen.
Am Ende fiel Daa’tan rücklings ins Gras, voll gestopft bis obenhin. Angenehme Schwere überkam ihn, lähmte seinen Körper und seinen Geist. Eigentlich hätte er Holz nachlegen müssen, damit das Lagerfeuer am Leben blieb. Aber das war ihm so völlig egal! Sollte es doch ausgehen! Hauptsache, er brauchte sich nicht bewegen, konnte das fette Reptil verdauen und den Geschmack noch ein wenig genießen, den es in seinem Mund hinterlassen hatte. Daa’tan blinzelte zu den Sternen hoch, unter immer schwereren Lidern. Schlafen! O ja, das war eine gute Idee! Morgen würde er darüber nachdenken, wie er zum Uluru zurück finden könnte. Und Aruula retten, seine Mutter. Morgen…
***
Aus Aruulas Erinnerungen
Das Bett im Gasthof war hart. Das Miauen der Metze, die mit dem Hexenjäger nebenan übernachtete, unerträglich. Als Aruula endlich die Augen schloss, wurde es draußen schon hell.
Irgendwann wurde sie von einem Prasseln geweckt. Als sie sich aufrichtete, sah sie, dass es ein Unwetter war. Ein Gutes hatte der Regen: Er sorgte dafür, dass Herrn Ilmatzens Doggars ihre Witterung nicht mehr aufnehmen konnten.
Erst als Aruula aufgestanden war und mit sorgenzerfurchter Stirn aus dem Fenster schaute, wurde ihr bewusst, dass Kewin ja gar nicht tot war und man sie deswegen auch nicht als Mörderin suchte.
Was hinderte sie also jetzt noch daran, zu ihren Leuten zurückzukehren?
In der Gaststube wurde sie schon von der Söldnerin erwartet, die vor einem gebratenen Emlot-Ei saß. Der Wirt bediente auch Aruula. Sie ließ es sich schmecken. Der Hexenjäger und die Metze waren schon gegangen. Der Gelehrte war schon am Abend zuvor in die Bildungseinrichtung zurückgewankt, in der er die dämlichen Kinder reicher Leute unterrichten musste.
Hella zahlte mit Kupfermünzen, die das Bildnis des Herrn von Elfenfeld zeigten. Dann warteten sie auf besseres Wetter.
Hella fand, dass es eigentlich kein besseres Wetter gab, um den
»verfluchten« Teil des Tals zu erforschen: Vielleicht würden ja auch die im Inneren der Wolke waltenden Kräfte vom Regen nieder gedrückt.
Der Himmel wurde noch finsterer. Dann sah es aus, als wolle die Sonne wieder untergehen.
Der Wolkenbruch ließ zwar nach, doch der Regen hörte nicht gänzlich auf. Hella kaufte dem Wirt zwei graue Kapuzenumhänge ab, die Reisende zurückgelassen hatten. So ausstaffiert, gingen sie am Fluss entlang bis an den Rand der Dunkelwolke.
Vor ihnen gluckste der Sumpf. Üble Dämpfte stiegen aus der schwarzen Brühe auf, die diesen Teil des Tales an allen Seiten umgab. Aruula glaubte unter der Oberfläche Bewegungen wahrzunehmen. Wie sie von Hella erfuhr, trog ihre Vermutung nicht: Der Sumpf wimmelte von Leukomorphen, die oft Nager oder unvorsichtiges Geflügel in den Pfuhl zogen. Man hatte aber auch vereinzelte Exemplare gesichtet, die sich zu zweit an Menschen heranwagten und zu Tode würgten, um sie dann zu zerreißen und zu verzehren.
Theoretisch gab es zwei Möglichkeiten, den Sumpf zu überwinden: Lebensmüde
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