1954 - Flugziel Chearth
mit seinen todbringenden Fähigkeiten und nicht nur mit bloßen Fäusten angegriffen hatte, war ihr immer noch anzusehen. „Er fühlte sich in die Enge gedrängt. Vince weiß noch nicht, wohin er gehört - ich kann das nachvollziehen, mir ging es lange Zeit genauso -, aber er wird sich für das Gute entscheiden."
Die Meinung der jungen Blue war die eine Seite, die wilden Gerüchte, die an Bord der GILGAMESCH hinter vorgehaltener Hand kursierten, die andere. Nur wenige glaubten, dass es Tuyula und dem Gharrer gelungen sein könnte, den Todesmutanten von seinem Wahn zu heilen. Sogar Atlan traue dem Frieden nicht, hieß es, angestachelt durch die vielfältigen Sicherheitsvorkehrungen. Die Behauptung machte die Runde, Atlan hätte den Todesmutanten als „tickende Zeitbombe" bezeichnet. Solche Gerüchte waren angenehm, weil sie die eigenen Ängste und Befürchtungen fokussierten. Ihnen kam gewissermaßen Alibifunktion zu, und gerade deshalb liefen Dementis der Kommandanten ins Leere. Niemand wollte Beschwichtigungen hören, und wenn, dann glaubte man sie nicht. Die Gerüchte wiederum sorgten für weitere Verunsicherung und schürten die Angst vor dem Massenmörder, der überall und jederzeit zuschlagen konnte.
Neue syntronische Psychogramme des Mutanten vergrößerten nur die Unsicherheit. Tuyula Azyk bezeichnete die Auswertungen als Makulatur. „... keiner kennt Vince so gut wie ich", betonte sie. „Er war von dieser Quotor-Wahnvorstellung besessen, als er die Morde beging. Aber das ist vorbei.
Quotor kommt nicht mehr zum Durchbruch, sonst hätte er mich wirklich getötet." 23. September 1290 NGZ Serven Mihan hatte denkbar schlecht geschlafen. Mindestens fünfmal war er schweißgebadet hochgeschreckt,. von Alpträumen gequält, in denen Garron die Macht über die GILGAMESCH an sich riss. Mhogena war sein erstes Opfer gewesen und bei einer lächerlichen Knallgasexplosion gestorben. Entsprechend gerädert fühlte sich der Astronom, als die Weckautomatik ihn aus dem ersten wirklich tiefen Schlaf Hoch schreckte. Nicht einmal die belebenden Vibrationen der Ultraschalldusche konnten seine schlechte Laune vertreiben. Die Bordnachrichten meldeten keine Zwischenfälle, lediglich Geburtstagsgrüße an eine Handvoll Besatzungsmitglieder wurden stereotyp abgespult. Als dann zu allem Überfluss die Andromeda-Symphonie erklang, die Serven an die Partnerin seines letzten Ehevertrags erinnerte, und das wenig angenehm, war für ihn der Tag endgültig gestorben. Obwohl die GILGAMESCH Annehmlichkeiten bot, die längst nicht auf jedem Schiff zum Alltag gehörten.
Wann würde das Modulschiff zurück kehren? Hoffentlich die nächsten Jahre nicht, dachte er. Lustlos biss Mihan von einem Konzentratriegel ab.
Wieder fühlte er sich beobachtet; unheimliche Blicke brannten in seinem Nacken. Der Todesmutant! durchzuckte es ihn. Niemand sonst konnte die verschlossene Kabine betreten. Unwillkürlich versteifte er sich. Das Geräusch leiser, gepresster Atemzüge. verriet ihm genug. Seine Alpträume schienen Wirklichkeit zu werden. Er bringt mich um, er ... - Nicht daran denken, verdammt! Ist er Telepath? Nein, ich glaube nicht.
Nur ein Vibratormesser lag in Griffweite. Der Todesmutant musste nun unmittelbar hinter ihm stehen. Serven Mihan spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten, ein eisiger Schauder rann seinen Rücken hinab. Unheimlich schwer und trocken klebte der Konzentratriegel zwischen den Zähnen. Mihan vergaß das Kauen. Blitzschnell griff er nach dem Messer, sprang dabei auf und wirbelte herum ... Zusammengekniffene Augen in einem vernarbten Gesicht blickten ihn an. Der Astronom hatte dieses Gesicht mittlerweile Dutzende Male in den Trivid-Nachrichten gesehen.
Im Herumfahren stieß er mit dem Messer zu. Die Klinge traf Garrons Arm und riss eine tiefe Fleischwunde. Der Todesmutant schrie auf. Dann war Serven Mihan wieder allein und fragte sich verwirrt, was eigentlich geschehen war. Träumte er immer noch? Aber wenn das kein Traum gewesen und Vincent Garron wirklich in seiner Kabine materialisiert war, weshalb lag er nicht mit zerplatztem Schädel da? Entsetzt starrte er das Messer in seiner Hand an und die Blutstropfen am Boden, und seine Knie wurden weich. Während sein Herz rasend gegen die Rippen hämmerte, suchte er nach einem festen Halt. Immer noch hielt er das Messer fest umkrampft, die Fingerknöchel traten bleich unter der Haut hervor. „Servo!" keuchte er. „Servo - ich brauche Hilfe."
Die MADIGAN, einer der
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