1967 - Die List des Scoctoren
erschwerten. Noch ungewöhnlicher war jedoch eine dreißig Kilometer durchmessende, in grellem Gelb leuchtende Kugel, die offensichtlich aus reiner Energie bestand und im Leerraum schwebte. Unwillkürlich fühlte Mhogena sich ein wenig an den sechsdimensionalen Tunnel ins Tiefe Tal erinnert.
Höhere kosmische Entitäten schienen die Neigung zu verspüren, den Normalraum zu verlassen und sich Nischen in abwegigen Gefilden des Kontinuums zu schaffen, in denen sie nicht so leicht gefunden werden konnten. Botagho funkte einen Kode und flog die Kugel an. Auf ihrer Oberfläche zuckten Sekunde für Sekunde Millionen von Blitzen; dort schien eine Energieumwandlung stattzufinden. Dann veränderte sich den Holo-Projektoren zufolge die Umgebung rapide: Als die THOREGON FUNF in das Innere der Kugel eindrang, wähnte er sich plötzlich wie in einem Schlauch, und irgend etwas strömte dem Schiff darin entgegen, ein dichter Schauer aus glühenden Hagelkörnern, die die Messinstrumente als nicht näher definierbare Energieform klassizifierten.
Nun wusste er, was auf der Oberfläche der Kugel transformiert worden war. „Bei dieser Substanz handelt es sich um Psi-Materie", erklärte Botagho. „Der Baolin-Deltaraum ist eine im Hyperraum angesiedelte Blase, in der ein bestimmter psionischer Druck herrscht. Irgendwo im Hyperraum befindet sich auch die Aale, der Lebensraum der alten Baolin-Nda. Im Alter von etwa fünftausend Jahren endet ihr physisches Jugendstadium, und sie gehen als körperlose Wesen in die Äole ein. Die Äole ist durch ein Ventil mit dem Deltaraum verbunden und lässt psionischen Druck vom Hyperraum in den Deltaraum entweichen. Gleichzeitig mit dem Druck entweicht diese Psi-Materie, und der Schlauch, in dem wir uns befinden, das sogenannte Standardtor, lässt genau jene Menge Psi-Materie in den Standardraum entweichen, die durch das Äolentor in den Deltaraum fließt. Auf diese Weise bleibt der psionische Druck im Deltaraum stets konstant. Die Baolin-Nda können lediglich unter genau diesen Druckverhältnissen existieren."
„Und was geschieht im Standardraum mit der spurlos verströmten Psi-Materie?" fragte Mhogena, doch die Syntronik meldete sich zu Wort, bevor der alte Meister des Sandes antworten konnte. „Schutz schirme aktiviert. Wir haben aus dem Deltaraum die Simulation des Materieflusses und genaue Kursvorgaben erhalten, die uns einen gefahrlosen Weg des geringsten Widerstands durch die Schneisen ermöglichen." Dennoch wurde der Flug merklich un. ruhiger. Das Schiff schien heftig durchgeschüttelt zu werden und geradezu gegen den Strom der Psi-Materie ankämpfen zu müssen. Botagho blieb allerdings ganz ruhig; offensichtlich nahm er nicht zum erstenmal an einem so komplizierten Manöver teil, das wohl nur von einer Syntronik bewältigt werden konnte.
Nachdem sie auf diese ungemütliche Weise etwa dreißig Kilometer zurückgelegt hatten, machte die THOREGON FÜNF mit einemmal einen Ruck, und das Standardtor lag hinter ihnen. Sie befanden sich auf der anderen Seite, im Deltaraum.
Das Schiff schwebte über einem etwa einhundertundfünfzig Kilometer durchmessenden, anscheinend bodenlosen Strudel, der durch einen Ozean aus einer dicken, strahlend blauen Flüssigkeit wanderte. Ein Blick auf die Instrumente verriet Mhogena, dass dieses seltsame Meer die gesamte innere Hülle der Blase im Hyperraum bedeckte. In der Hologramm-Darstellung schien diese Blase ihre Form kaum merklich zu verändern. Sie war annähernd kugelförmig, wirkte an einigen Stellen jedoch geradezu verbeult und wie zu einem schwachen Oval gestreckt. Den Messinstrumenten zufolge hatte sie einen Durchmesser von einhundertundzehn Millionen Kilometern. Das einzige Licht stammte von einer einhundertundneunzig Meter durchmessenden, weißglühenden Kugel. „Das Äolentor", sagte Botagho. „Aus ihm ergießt sich der ständige Funkenhagel von Psi-Materie, den wir nicht wahrnehmen können, weil er. anfangs einen gasförmigen Zustand einnimmt. Doch sieh dort!"
Er deutete auf eine Stelle des blau schimmernden Ozeans, an der sich sprudelnd die zähe Flüssigkeit zu bilden schien. „Dort kondensiert ein Teil von ihr." Da das Licht der Äole bei weitem nicht so intensiv wie das einer Sonne war, schien im Deltaraum ewige Dämmerung zu herrschen. Auf eine Anweisung Botaghos hellte die Syntronik die Holodarstellung auf, bis auch die Gharrer problemlos alle Einzelheiten ausmachen konnten. Nun erkannte Mhogena zahlreiche unregelmäßig geformte Gebilde im
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