1969 - Grausame Götter
Lebensfrau gewesen.
Warum hast du sie mir genommen, Nachto? fragte er in sich hinein. Vortior konnte sich die Antwort selbst geben. Wenn Nachto der Pate des Kindes war, dann hatte er für seine Inkarnation außergewöhnliche Lebensenergie benötigt. Diese musste er der Mutter entziehen... „Wie soll der Junge heißen?" fragte der Arzt. „Vilandos", sagte Vortior, ohne zu über legen. Cisa hatte den Namen ausgewählt, als sie erfuhr, dass es ein Junge werden würde.
Vortior wollte ihr diesen Dienst erweisen. Und noch etwas gab es in ihrem Sinne zu tun: Es, war Cisas Wunsch gewesen, dass ihr Kind eine götterfürchtige Erziehung bekommen solle. Vortior wollte ihr auch diesen letzten Dienst erweisen. Und was sollte nun aus ihm werden?
Nach Vortiors Willen hätte Vilandos seine Erziehung im Kloster von Clannach erhalten sollen. Doch der einfache Bauer von der Pionierwelt Ruegor hatte nicht gewusst, dass Clannach längst zu einer Kultstätte geworden war, wo weise Brüder den Alten Schriften neue Deutungen gaben und die Neuen Schriften nach Eingebung der Götter verfassten. In Clannach wurden schon seit vielen Jahren keine Zöglinge mehr aufgenommen, und so landete der kleine Vilandos nach vielen Irrwegen in der Riintonischen Mission von Jangrun. Dem kleinen Balg war ein Datenträger beigepackt, auf dem seine Personalien verzeichnet sein sollten. Aber dieser enthielt lediglich die von einer Stimme mit bäuerlichem Akzent gesprochenen Worte: „Ich heiße Vilandos, ich bin eine Inkarnation des Nachto und verdiene eine strenge religiöse Erziehung."
Es ließ sich nicht herausfinden, woher Vilandos stammte und wer sein Vater war; die Mutter interessierte dagegen niemanden. So nahm man das kleine Bündel Leben als Waise auf. Vilandos wurde in die Obhut von Bruder Gondanar übergeben, einem Tazolen von 230 Jahren, der jedoch gealtert war wie ein Fünfhundertjähriger. Jangrun war eine von der Zivilisation kaum berührte Pionierwelt. Es gab einen militärischen Stützpunkt mit Raumhafen namens Zalanorshor, der zugleich die Hauptstadt war. Und zweitausend Meilen davon entfernt die Mission, die mitten in der Wildnis stand. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Fort, das aufgelassen worden war, nachdem die halbe Besatzung von fünftausend Mann von einer Seuche dahingerafft worden war.
Heute war Jangrun so weit erkundet, dass es keine unbekannten Krankheitserreger mehr gab und demnach auch keine tödlichen Seuchen. Dennoch galt der Planet als weitestgehend unerforscht. In den weiten Dschungeln dieses großen Kontinents lebten echsenhafte Eingeborene, und es, war belegt, dass sie die ersten tazolischen Missionare, die hierher kamen aufgefressen hatten. Dies lag schon viele Jahrzehnte zurück, und im Jahre 596 der tazolischen Raumfahrt beteten die im weiten Umkreis der Riintonischen Mission lebenden Stämme der Jangruner bereits zu den tazolischen Göttern. Sie waren brave Arbeiter, die nicht durch technische Hilfsmittel verwöhnt waren und die Plantagen kraft ihrer Körper bestellten.
Die Mission selbst war ein trutziges Vierkantgebäude, dreistöckig und mit einer Kantenlänge von vierhundert Metern, der große, unverbaute Innenhof war zum Markt- und Festplatz geworden, je nach gegebenem Anlass. Rings um das Fort standen noch immer die fünf Meter hohen Säulen des Energiezaunes, der einst das Fort gegen die Wilden geschützt hatte, die längst gezähmt waren. Sie hatten schon lange keine Funktion mehr und verrotteten in der schwülen Atmosphäre des Planeten.
In der Mission lebten insgesamt nur 76 Brüder, die lediglich den Nordtrakt .für sich beanspruchten. Die drei anderen Flügel des Vierkantgebäudes dienten als Lagerhallen für die Handelsgüter, die es der Mission erlaubten, sich selbst zu erhalten, und dort waren auch die Verwaltungsräume untergebracht, die ausschließlich von Einheimischen besetzt waren. Vornehmlich jangrunische Laienbrüder und einheimische Beamte, die allesamt zur tazolischen Religion konvertiert hatten.
Man hätte meinen können, dass die Brüder in diesem Umfeld dazu neigten, die Glaubensregeln locker zu handhaben und großzügig auszulegen.
Tatsache war Jedoch, dass in der Riintischen Mission von Jangrun die religiösen Praktiken mit größter Strenge gehandhabt wurden und selbst geringe Verstöße dagegen mit aller Härte bestraft wurden. Die Mission von Jangrun hatte einen guten Ruf und gute Chancen, demnächst den Klosterstatus zu erhalten. Das war das angestrebte Ziel des
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