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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Geländer schauten.
    »Danke«, sagte ich und gab Mr. Ridyard die Hand.
    »Ich danke Ihnen, Mr. Dunford.«
    Ich stieg in den Viva und dachte nur, verdammte Scheiße.
    »Fröhliche Weihnachten«, rief Mr. Ridyard.
    Ich beugte mich zu meinem Notizbuch hinüber und kritzelte zwei Wörter hinein: Weißer Lieferwagen.
    Ich winkte Mr. Ridyard zu, der einsam an der Tür stand, und behielt all meine Flüche für mich.
    Ein Gedanke: ruf Kathryn an.
     
    »Es war ein verdammter Alptraum.« Ich stand wieder in der knallroten Telefonzelle, warf eine weitere Münze ein, hopste von einem Bein aufs andere und fror mir die Eier ab. »Jedenfalls sagt er dann, da sei noch dieser weiße Lieferwagen gewesen, aber ich erinnere mich nicht, irgendwo was über einen weißen Lieferwagen gelesen zu haben, du etwa?«
    Kathryn ging am anderen Ende der Leitung ihre eigenen Notizen durch und pflichtete mir bei.
    »Auch nicht in irgendeiner der Anfragen?«
    »Nein, nicht daß ich wüßte«, sagte Kathryn. Ich konnte den Bürolärm bei ihr hören. Ich fühlte mich zu weit weg. Ich wollte dort sein.
    »Irgendwelche Nachrichten?« fragte ich und jonglierte mit dem Telefonbuch, einem Notizbuch, dem Stift und einer Zigarette.
    »Nur zwei. Barry und …«
    »Barry? Hat er gesagt, worum es ging? Ist er da?«
    »Nein, nein. Und ein Sergeant Craven …«
    »Sergeant wer?«
    »Craven.«
    »Scheiße, keine Ahnung. Craven? Hat er eine Nachricht hinterlassen?«
    »Nein, aber er sagte, es sei dringend.« Kathryn klang stinkig.
    »Wenn es so verdammt dringend ist, würde ich ihn kennen. Wenn er wieder anruft, soll er eine Nachricht hinterlassen, okay?« Ich ließ die Kippe in die Pfütze auf dem Boden der Telefonzelle fallen.
    »Wohin gehst du jetzt?«
    »In den Pub, wohin sonst? Ein bißchen Lokalkolorit einfangen. Danach komme ich sofort zurück. Bye.«
    Ich legte auf und fühlte mich beschissen.
     
    Sie starrte mich über die Theke im Huntsman hinweg an.
    Ich versteinerte, nahm mein Glas und ging auf sie zu; ihre Augen zogen mich an, wie sie da am anderen Ende der Bar neben den Toiletten über dem Zigarettenautomaten hing.
    Susan Louise Ridyard mit ihren großen weißen Zähnen lächelte fürs Schulphoto, auch wenn ihr Blick verriet, daß sie ihren Pony ein wenig zu lang fand, und sie wirkte linkisch und traurig, so als wüßte sie, was sie erwartete.
    Das größte Wort über ihrem Gesicht war in Rot und lautete:
    VERMISST.
    Unter dem Bild stand ihr Lebenslauf und das, was an ihrem letzten Tag geschah. Beides war verdammt kurz.
    Schließlich noch die Bitte um Informationen und drei Telefonnummern.
    »Möchten Sie noch eins?«
    Ich erschrak und betrachtete mein leeres Glas. »Ja. Nur noch das eine.«
    »Reporter, stimmt’s?« fragte der Barkeeper und zapfte ein Pint.
    »Sieht man das?«
    »Es war ‘ne Menge von Ihrem Haufen hier, ja.«
    Ich gab ihm genau 36 Pence. »Danke.«
    »Bei welchem Blatt?«
    »Post.«
    »Nichts Neues?«
    »Wir versuchen nur, die Geschichte am Leben zu halten, wissen Sie? Wir wollen nicht, daß die Menschen sie vergessen.«
    »Sehr lobenswert, wirklich.«
    »War gerade bei den Ridyards«, sagte ich, um Vertrauen zu schaffen.
    »Ach. Derek schaut ab und zu mal rein. Ihr geht es nicht so gut, erzählt man sich.«
    »Ja«, sagte ich und nickte. »Die Polizei scheint ja nicht allzu viele Spuren zu haben, oder?«
    »‘ne Menge von denen hat hier gegessen, als das passiert war.« Der Barkeeper, wahrscheinlich der Besitzer selbst, drehte sich um und bediente einen Gast.
    Ich spielte meine einzige Karte aus. »Es war allerdings die Rede von einem Lieferwagen. Einem weißen Lieferwagen.«
    Der Barkeeper schloß langsam und stirnrunzelnd die Kassenlade. »Ein weißer Lieferwagen?«
    »Ja. Die Polizei meinte zu den Ridyards, sie würde nach einem weißen Lieferwagen fahnden.«
    »Davon weiß ich nichts«, sagte er, zapfte wieder ein Pint, und der Pub füllte sich langsam zur samstäglichen Mittagsstunde. Er kassierte und sagte: »Ich hatte eher den Eindruck, alle glaubten, es wären die Zigeuner gewesen.«
    »Zigeuner«, murmelte ich und dachte, schöne Scheiße.
    »Ja. Die waren eine Woche vorher hier durchgezogen, am St. Patrick’s Day. Vielleicht hatte einer von denen einen weißen Lieferwagen.«
    »Vielleicht«, sagte ich.
    »Noch eins?«
    Ich drehte mich wieder zu dem Plakat und den Augen um, die ich schon kannte. »Nein, danke.«
    »Was glauben Sie?«
    Ich drehte mich nicht um. Brust und Magen taten mir weh, und das Bier machte es nur

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