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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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um meine Schuhe. Ich starrte durch das dreckige Glas hinaus auf die gelben Lichter der Polizeistation Wood Street auf der anderen Straßenseite.
    Hadden klang, als sei er völlig am Boden zerstört. »Das hat die Polizei gesagt, ja.«
    Ich wühlte in meinen Taschen. »Jack auch.«
    Ich stand in der Pfütze, meine Schuhe zogen Wasser, ich jonglierte mit Streichhölzern, einer Zigarette und dem Telefonhörer.
    »Wann sind Sie wieder im Büro?«
    Ich bekam die Zigarette an. »Irgendwann im Laufe des Nachmittags.«
    Eine Pause, dann: »Ich muß mit Ihnen sprechen.«
    »Okay.«
    Eine längere Pause, dann schließlich: »Was ist gestern passiert, Eddie?«
    »Ich war bei Enid Sheard. Sie hat einen verdammten Schlüssel zu Goldthorpes Haus.«
    Hadden, erheblich weiter als zehn Meilen entfernt: »Wirklich?«
    »Ja, aber ich brauche ein paar Photos. Können Sie Richard oder Norman veranlassen, mich dort zu treffen?«
    »Wann?«
    Ich schaute auf die Uhr meines Vaters. »Gegen zwölf. Und es wär’ nicht schlecht, wenn einer von ihnen das Geld mitbringt.«
    »Wieviel?«
    Ich starrte an der Polizeistation vorbei die Wood Street entlang, und schwarze Wolken machten den Morgen zum Abend.
    Ich holte tief Luft und fühlte einen stechenden Schmerz in derBrust. »Die gierige Schlampe will zweihundert.«
    Stille.
    Dann: »Eddie, was ist gestern passiert?«
    »Was?«
    »Bei Mrs. Dawson? Was war da los?«
    »Ich hab sie nicht gesehen.«
    Hadden sagte mit Verärgerung in der Stimme: »Aber ich hatte Sie doch ausdrücklich …«
    »Ich bin im Wagen geblieben.«
    »Aber ich hatte Sie doch gebeten …«
    »Ich weiß, ich weiß. Barry meinte, ich würde sie nur nervös machen.« Ich ließ meine Zigarette in die Pfütze fallen und glaubte mir die Geschichte schon fast selbst.
    Hadden am anderen Ende klang mißtrauisch. »Wirklich?«
    Die Zigarette zischte im Dreckwasser. »Ja.«
    »Wann sind Sie zurück?«
    »Irgendwann zwischen zwei und drei.«
    »Ich muß Sie sprechen.«
    »Ja, ich weiß.«
    Ich legte auf.
    Ich sah, wie Gilman, Tom und der Rest der Bande aus der Polizeistation gerannt kamen und mit Jacken über den Köpfen zu ihren Autos stürmten.
    Auch ich zog mir die Jacke über den Kopf und machte mich bereit.
     
    Eine halbe Stunde später stank der Viva nach Schinken.
    Ich kurbelte das Fenster herunter und starrte die Brunt Street in Castleford entlang.
    Meine Finger waren ganz fettig von dem Sandwich.
    Es brannte Licht im Vorderzimmer der Hausnummer 11 und spiegelte sich auf dem feuchten Bürgersteig.
    Ich trank einen Schluck heißen, süßen Tee.
    Das Licht ging aus und die rote Tür öffnete sich.
    Paula Garland trat unter einem geblümten Regenschirm aus dem Haus. Sie schloß ab und ging die Straße entlang auf den Viva zu.
    Ich kurbelte die Scheibe hoch und glitt auf dem Sitz tiefer. Ich hörte ihre hohen braunen Stiefel klackernd näherkommen. Ich schloß die Augen, schluckte und fragte mich, was zum Teufel ich nur sagen sollte.
    Die Stiefel kamen näher und wechselten auf die andere Straßenseite.
    Ich setzte mich auf und schaute aus dem Rückfenster.
    Die braunen Stiefel, der beigefarbene Regenmantel und der geblümte Regenschirm verschwanden um die Ecke.
     
    Barry Gannon hatte mal gesagt: »Alle großen Gebäude ähneln Verbrechen.«
    Den Notizen zufolge, die Hadden mir gegeben hatte, hatte John Dawson Shangrila 1970 entworfen und gebaut. Die architektonische Fachpresse und die Öffentlichkeit waren voll des Lobes. Journalisten von Fernsehen, Zeitungen und Magazinen waren ins Haus gebeten worden und breiteten das üppige Interieur pflichtbewußt auf Doppelseiten aus. Die Baukosten für den ungeheuren Bungalow, ein Geschenk des erfolgreichsten Nachkriegsarchitekten Großbritanniens für seine Frau aus Anlaß ihres 25. Hochzeitstages, waren auf mehr als eine halbe Million Pfund geschätzt worden. Benannt worden war er nach der mythischen Stadt in Marjorie Dawsons Lieblingsfilm »Lost Horizon«. Shangrila hatte die breite Öffentlichkeit in seinen Bann gezogen.
    Für kurze Zeit.
    Mein Vater hatte immer gesagt: »Wenn du den Künstler kennenlernen willst, schau dir die Kunst an.«
    Normalerweise meinte er damit Fußball und Kricket, Stanley Matthews oder Don Bradman.
    Ich erinnerte mich vage daran, daß meine Eltern eines Sonntags mit dem Viva einen Ausflug nach Castleford gemacht hatten. Ich stellte sie mir vor, wie sie hinfuhren, sich ein wenig unterhielten, meistens aber Radio hörten. Wahrscheinlich hatten sie am :
    Fuße der

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