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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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verächtlich.
    Ich zündete mir wieder eine Zigarette an und haßte den Anblick dieser kleinen Schwuchtel in seinem Sternchenhemd. »Was zum Teufel hattest du mit Barry zu schaffen?«
    »Ich habe einiges gesehen, weißt du?«
    »Das glaub’ ich gern«, sagte ich und schaute auf die Uhr meines Vaters.
    Er sprang vom Bett auf. »Ich will dich nicht weiter aufhalten.«
    Ich stand auf. »Tut mir leid. Setz dich, bitte. Tut mir leid.«
    AF setzte sich wieder hin und tat immer noch blasiert. »Ich kenne Leute.«
    »Da bin ich mir sicher.«
    Schon wieder sprang er auf und stampfte mit den Füßen auf.
    »Nein, ehrlich, verdammt. Berühmte Leute.«
    Ich stand auf und reckte die Hände vor. »Ich weiß, ich weiß …«
    »Hör mal, ich hab die Schwänze von einigen der größten Männer dieses Landes gelutscht.«
    »Wen zum Beispiel?«
    »Nein, nein. So einfach kriegst du das nicht raus.«
    »Na gut. Und warum?«
    »Für Geld. Was denn sonst? Glaubst du vielleicht, es macht mir Spaß ? In diesem Körper? Schau mich doch an ! Das bin nicht ich.« Er war in die Knie gegangen und zerrte an seinem Sternenhemd. »Ich bin keine Schwuchtel. In mir drin bin ich eine Frau«, schrie er, sprang auf die Füße, riß ein Karen-Carpenter-Poster von der Wand, zerknüllte es und schleuderte es mir ins Gesicht. »Sie weiß, wie das ist. Er weiß es«, sagte er, drehte sich um und trat gegen den Plattenspieler; Ziggy kam kratzend zum Ende.
    Arthur Francis Anderson ließ sich neben dem Plattenspieler zu Boden fallen, verbarg seinen Kopf und lag zitternd da. »Barry wußte es.«
    Ich setzte mich hin und stand wieder auf. Ich ging zu dem zerknitterten Kerl in seinem silbrigen Sternenhemd und der kastanienbraunen Hose und half ihm aufs Bett.
    »Barry wußte es«, wimmerte er wieder.
    Ich ging zum Plattenspieler und legte die Nadel wieder auf, aber der Song war deprimierend und die Platte sprang, also machte ich die Musik aus und setzte mich wieder in den muffigen Sessel.
    »Mochtest du Barry?« Er hatte sich über das Gesicht gewischt, saß auf dem Bett und sah mich an.
    »Schon, aber ich kannte ihn nicht besonders gut.«
    AFs Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Er mochte dich.«
    »Wieso glaubte er, daß ihm etwas zustoßen würde?«
    »Also wirklich!« AF sprang auf. »Verdammt. Das war doch offensichtlich.«
    »Warum?«
    »Das konnte doch so nicht weitergehen. Er hatte über zu viele Leute zu viel herausgefunden.«
    Ich beugte mich vor. »John Dawson?«
    »John Dawson ist nur die Spitze des verdammten Eisbergs. Hast du das Zeug nicht gelesen?« Er machte eine Handbewegung in Richtung der Plastiktüte zu meinen Füßen.
    »Nur das, was er der Post gegeben hat«, log ich.
    Er lächelte. »Tja, all die großen Fische sind da in der Tüte.«
    Ich haßte den kleinen Scheißer, seine Spielchen, seine Wohnung. »Und wo ist Barry dann gestern nacht hin?«
    »Er sagte, er würde dir helfen.«
    »Mir?«
    »Das hat er gesagt. Irgendwas wegen dem kleinen Mädchen in Morley, und daß er alles miteinander in Verbindung bringen könne.«
    Ich sprang auf. »Was soll das heißen? Was ist mit ihr?«
    »Mehr hat er nicht gesagt …«
    Bilder von Schwanenflügeln und kricketballgroßen Titten an AFs Brust überfielen mich. Ich stürzte durchs Zimmer auf ihn los und brüllte: »Denk nach!«
    »Ich weiß es nicht. Er hat’s mir nicht gesagt.«
    Ich packte ihn bei den Sternen auf seinem Hemd und drückte ihn ins Bett. »Hat er sonst noch irgendwas über Clare gesagt?«
    Sein Atem in meinem Gesicht war so muffig wie das ganze Zimmer. »Welche Clare?«
    »Das tote Mädchen.«
    »Nur daß er nach Morley wollte und dir das helfen würde.«
    »Wie zum Teufel sollte mir das helfen?«
    »Das hat er nicht gesagt, verdammt! Wie oft soll ich es noch sagen?«
    »War das alles?«
    »Ja. Jetzt laß mich endlich los, verdammt.«
    Ich packte seinen Mund und drückte zu. »Nein. Du verrätst mir erst noch, warum Barry dir davon erzählt hat«, sagte ich und drückte sein Gesicht so fest ich konnte, dann ließ ich wieder los.
    »Vielleicht, weil ich die Augen offenhalte. Weil ich Dinge sehe und mich daran erinnere.« Er blutete an der Unterlippe.
    Ich sah auf die silbrigen Sterne in meiner Hand und ließ sie fallen. »Überhaupt nichts weißt du.«
    »Ach, glaub doch, was du willst.«
    Ich stand auf und ging zur Plastiktüte. »Mach ich.«
    »Geh schlafen.«
    Ich nahm die Tüte und ging zur Tür. Ich öffnete sie und drehte mich noch einmal zu der Wohnschlafhölle um. »War

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