1974
Qualen zu schildern, die dieses junge Mädchen durchlitten haben muß.« Dr. Coutts, der bei mehr als fünfzig Morden die Obduktion durchgeführt hat, war sichtlich bewegt, als er sagte, erhoffe, »niemals wieder eine solche Pflicht erfüllen zu müssen«.
Detective Chief Superintendent Oldman sprach von der Dringlichkeit, den Mörder zu fassen, und kündigte an, daß Detective Superintendent Peter Noble die Aufsicht über die tägliche Jagd nach demjenigen habe, der für Clares Tod verantwortlich sei.
Detective Superintendent Noble erlangte 1968 bei der damaligen West Midlands Force landesweite Bekanntheit als der Mann, der für die Verhaftung des Cannock-Chase-Mörders Raymond Morris verantwortlich war. Zwischen 1965 und 1967 hatte Morris drei kleine Mädchen in und um Stafford herum belästigt und dann erstickt, bevor er vom damaligen Detective Inspector Noble verhaftet werden konnte.
Detective Superintendent Noble brachte seine Entschlossenheit zum Ausdruck, Clare Kemplays Mörder zu ergreifen, und appellierte an die Unterstützung der Öffentlichkeit: »Wir müssen diese Bestie fas sen, bevor ihr ein weiteres unschuldiges Leben zum Opfer fällt.«
Detective Chief Superintendent Oldman fügte hinzu, daß die Polizei vor allem daran interessiert sei, mit jedem zu sprechen, der sich in der Nacht des 13. Dezember oder in den frühen Morgenstunden des 14. Dezember in der Nähe des Devil’s Ditch in Wakefield aufgehalten habe.
Die West Yorkshire Metropolitan Police appelliert an alle, die irgend etwas zur Aufklärung beitragen können, sich direkt mit der Mordkommission unter den Telefonnummern Wakefield 3838 oder 3839 in Verbindung zu setzen oder das nächstgelegene Polizeirevier zu kontaktieren. Alle Anrufe werden streng vertraulich behandelt.
Zwei Photos flankierten den Bericht: das Schulphoto von Clare, das auch bei meinem ersten Bericht über ihr Verschwinden gezeigt worden war, und ein körniges Photo von der Polizeisuche bei Devil’s Ditch in Wakefield, wo Clares Leiche gefunden worden war.
Hut ab, Jack.
Ich riß die Titelseite ab, stopfte sie mir in die Jackentasche und ging zu Barry Gannons Schreibtisch hinüber. Ich zog die unterste Schublade auf, nahm Barrys Flasche Bells heraus und goß mir einen Dreifachen in eine halbvolle Tasse Kaffee.
Auf dich, Barry Gannon.
Es schmeckte beschissen, so beschissen, daß ich mir eine zweite Tasse kalten Kaffee von einem anderen Schreibtisch holte und mir noch einen eingoß.
Auf dich, Ronald Dunford.
Fünf Minuten später ließ ich den Kopf auf meinen Schreibtisch sinken und roch das Holz, den Whisky und die Arbeit des Tages an meinen Ärmeln. Ich wollte noch bei Kathryn zu Hause anrufen, doch der Whisky hatte wohl den Kaffee besiegt, und ich fiel beim hellen Schein der Bürobeleuchtung in einen unruhigen Schlaf.
»Aufwachen, Sensationsreporter.«
Ich schlug ein Auge auf.
»Auf, auf, Schlafmütze. Dein Freund ist auf Leitung zwei.«
Ich schlug auch das andere auf.
Jack Whitehead saß auf Barrys Stuhl an Barrys Schreibtisch und winkte mir quer durchs Büro mit einem Telefonhörer zu. Die Gruft war zum Leben erwacht; alles machte sich für die nächste Ausgabe bereit. Ich setzte mich auf und nickte Jack zu. Jack zwinkerte, und das Telefon auf meinem Tisch klingelte.
Ich hob ab. »Ja bitte?«
Eine junge Männerstimme fragte: »Edward Dunford?«
»Ja?«
Eine Pause und ein Klicken, Jack hatte sich verdammt viel Zeit gelassen, aufzulegen. Ich warf ihm durchs Büro einen Blick zu. Jack Whitehead reckte die Hände in die Höhe, als wolle er aufgeben.
Alle lachten.
Mein Atem stank am Telefon. »Wer spricht da?«
»Ein Freund von Barry. Kennen Sie das Gaiety an der Roundhay Road?«
»Ja.«
»Seien Sie gegen zehn dort an der Telefonzelle.«
Die Leitung war tot.
»Tut mir leid«, sagte ich, »da muß ich erst mit meinem Chef sprechen. Wenn Sie allerdings im Laufe des morgigen Tages noch einmal anrufen möchten … Ich verstehe, danke. Auf Wiederhören.«
»Na, mal wieder ‘ne heiße Spur, du Sensationsreporter?«
»Der beschissene Rattenfänger. Der bringt mich noch mal um, verdammt.«
Alle lachten.
Selbst Jack.
21.30 Uhr, Montag nacht, 16. Dezember 1974.
Ich fuhr auf den Parkplatz direkt vor dem Gaiety Hotel, Roundhay Road, Leeds, und beschloß, mich eine halbe Stunde lang nicht von der Stelle zu rühren. Ich stellte den Motor ab, machte das Licht aus und saß im dunklen Viva; ich sah über den Parkplatz hinweg zum Gaiety hinüber, die
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