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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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er betrunken?«
    »Nein, aber er hatte getrunken.«
    »Viel?«
    »Ich konnte es riechen.« Tränen flossen ihm über die Wangen.
    Ich stellte die Tüte hin. »Was, glaubst du, ist ihm zugestoßen?«
    »Ich glaube, die haben ihn umgebracht«, sagte er schniefend.
    »Wer?«
    »Weiß ich nicht, will ich auch nicht wissen.«
    Todesschwadronen gibt es in jeder Stadt, in jedem Land.
    »Wer?« fragte ich. »Dawson? Die Polizei?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und warum?«
    »Geld, was sonst? Um all die räudigen Hunde in dem Sack da zu lassen. Um sie im Fluß zu ersäufen.«
    Ich starrte auf ein Poster von Karen Carpenter, die eine riesige Mickymaus knuddelte.
    Ich nahm die Plastiktüte. »Wie kann ich dich erreichen?«
    Arthur Francis Anderson lächelte. »442189. Sag, Eddie hätte angerufen, ich krieg’s dann schon mit.«
    Ich schrieb mir die Nummer auf. »Danke.«
    »Nicht der Rede wert.«
     
    Im Laufschritt den Spencer Place entlang, Vollgas nach Leeds und
    auf die MI; ich hoffte, den Burschen nie wiedersehen zu müssen.
    Planet der Affen, Die kleinen Pferdediebe, Theorien jagten sich
    gegenseitig:
    Regen fiel auf die Windschutzscheibe, der Mond war nicht zu sehen.
    Schnitt: die Jagd:
    Ich kannte einen Mann, der kannte einen Mann.
    »Er könne alles miteinander in Verbindung bringen.«
    Engel als Teufel, Teufel als Engel.
    Und der Kern des Ganzen:
    TU SO, ALS SEI ALLES IN ORDNUNG.
     
    Meine Mutter schlief in ihrem Sessel, und ich versuchte, alles miteinander in Verbindung zu bringen.
    Aber nicht hier.
    Die Treppe rauf, dann schüttete ich Plastiktüten und Umschläge, verstreute Akten und Photos auf mein Bett.
    Aber nicht hier.
    Ich stopfte alles in einen großen schwarzen Müllsack und steckte mir Vaters Reißzwecken und Stecknadeln ein.
    Aber nicht hier.
    Treppe runter, einen Kuß auf Mutters Braue, zur Tür hinaus.
    Aber nicht hier.
    Mit Vollgas durch den Sonnenaufgang von Ossett.
    Aber nicht hier.

5. K APITEL
    Sonnenaufgang im Redbeck Café und Motel, Dienstag, 17. Dezember 1974.
    Ich war die ganze Nacht durchgefahren und dann wieder hier gelandet, so als ob alles hier enden sollte.
    Ich bezahlte für zwei Wochen im voraus und bekam, wofür ich bezahlt hatte.
    Zimmer 27 ging nach hinten raus, zwei Biker auf der einen und eine Frau mit ihren vier Kindern auf der anderen Seite. Kein Telefon, kein Klo, kein Fernseher. Aber für zwei Pfund die Nacht hatte ich einen Ausblick auf den Parkplatz, ein Doppelbett, einen Schrank, einen Tisch, eine Spüle, und niemand stellte Fragen.
    Ich schloß die Tür zweifach ab und machte die klammen Vorhänge zu. Dann zog ich das Bett ab, befestigte das schwerste Laken am Vorhang und wuchtete die Matratze gegen das Laken. Ich stopfte ein gebrauchtes Präservativ in eine halbleere Tüte Chips.
    Dann lief ich zum Auto, mußte unterwegs pissen, auf eben jener Toilette, wo ich mir die Fahrkarte für diese Todesfahrt gekauft hatte.
    Ich stand da und pißte, wußte nicht, war Dienstag oder Mittwoch, schüttelte ab und trat die Klotür auf, obwohl ich wußte, daß mich dort nichts anderes erwartete als eine aufgeweichte gelbe Wurst und Schwuchtelgeschmiere an der Wand.
    Ich ging nach vorn ins Café und kaufte mir zwei Kaffee mit viel Zucker in dreckigen Styroporbechern. Ich öffnete den Kofferraum des Viva und trug den schwarzen Müllsack und den schwarzen Kaffee ins Zimmer 27.
    Ich schloß wieder zweifach ab, trank einen Kaffee, leerte den Müllsack auf den Holzboden des Betts und machte mich an die Arbeit.
    Barry Gannons Akten und Umschläge waren nach Namen angelegt. Ich sortierte sie alphabetisch auf einer Hälfte des Bettes arbeitete mich dann durch den dicken braunen Umschlag von Hadden und stopfte die einzelnen Blätter in die dazugehörige Akte.
    Manche Namen waren mit Titeln versehen, andere mit Rängen, die meisten allerdings nur mit der Anrede Mister. Manche Namen kannte ich, bei manchen kungelte was, die meisten waren mir unbekannt.
    Auf der anderen Betthälfte breitete ich meine Akten in drei kleinen und einem großen Stapel aus: Jeanette, Susan, Clare und rechts daneben Graham Goldthorpe, der Rattenfänger.
    Hinten im Schrank fand ich eine Rolle Tapete. Ich nahm eine Handvoll Reißzwecken, drehte die Tapete um und machte sie der Wand über dem Schreibtisch fest. Mit einem dicken roten Filzstift teilte ich die Rückseite in fünf große Spalten. Über jede Spalte schrieb ich in roten Blockbuchstaben fünf Namen: JEANET
    SUSAN, CLARE, GRAHAM und BARRY.
    Neben die Tapete pinnte ich

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