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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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war.«
    »Sonntag?«
    »Als ich das erste Mal hier war.«
    »Ich habe der Polizei kein Wort davon gesagt.«
    »Wem dann?«
    »Nur Paul.«
    »Wem noch?«
    »Niemandem.«
    »Bitte.«
    Paula Garland stand inmitten der Möbel, umgeben von Trophäen, Photographien und Weihnachtskarten, und zog ihre gelbgrün-braungestreifte Strickjacke fest um sich.
    »Bitte, Mrs. Garland …«
    »Paula«, flüsterte sie.
    Ich wollte am liebsten den Mund halten, die Hand ausstrecken, den roten Baumwollraden abzupfen und sie so fest in die Arme nehmen, als ginge es um mein Leben.
    Statt dessen sagte ich: »Paula, bitte, ich muß es wissen.«
    Sie seufzte und setzte sich in den cremefarbenen Sessel mir gegenüber. »Nachdem Sie wieder fort waren, habe ich mich fürchterlich aufgeregt, und …«
    »Bitte.«
    »Na ja, die Fosters sind vorbeigekommen …«
    »Donald Foster?«
    »Und seine Frau.«
    »Wozu?«
    Paula Garlands blaue Augen blitzten kalt. »Sie sind Freunde, okay?«
    »Tut mir leid. Das habe ich nicht so gemeint.«
    Sie seufzte: »Sie kamen vorbei und wollten wissen, ob ich von Johnny gehört hätte.«
    »Wann?«
    »Zehn, fünfzehn Minuten nachdem Sie gegangen waren. Ich habe immer noch geweint, und …«
    »Es tut mir leid.«
    »Es war nicht nur deswegen. Die ganze Woche hat schon das Telefon geklingelt, und alle wollten mit Johnny reden.«
    »Wer?«
    »Die Zeitungen. Ihre Kollegen.« Sie sprach mit dem Fußboden.
    »Haben Sie Foster von mir erzählt?«
    »Nicht mit Namen, nein.«
    »Was haben Sie ihm gesagt?«
    »Nur, daß irgend so ein verdammter Reporter da war und nach Jeanette gefragt hat.« Paula sah auf und starrte meine rechte Hand an.
    »Erzählen Sie mir von ihm«, sagte ich, und meine tote Hand erwachte wieder zum Leben.
    »Von wem?«
    Der pochende Schmerz nahm zu. »Donald Foster.«
    Paula Garland, die ihr wunderschönes blondes Haar am Hinterkopf zusammengebunden hatte, fragte: »Was denn?«
    »Alles.«
    Paula Garland schluckte. »Er ist sehr reich, und er mag Johnny.«
    »Und?«
    Paula Garland blinzelte schnell und flüsterte: »Und er war sehr freundlich zu uns, als Jeanette verschwand.«
    Mein Mund war trocken, die Hand brannte, ich starrte auf das Stückchen Faden und fragte: »Und?«
    »Und er ist ein Mistkerl, wenn man sich mit ihm anlegt.«
    Ich hielt meine weiße rechte Hand in die Höhe. »Glauben Sie, er könnte so etwas tun?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Nein, weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, warum er so etwas tun sollte.«
    »Wegen dem, was ich weiß.«
    »Was meinen Sie damit, was Sie wissen?«
    »Weil ich weiß, daß alles miteinander zusammenhängt und er das Bindeglied ist.«
    »Bei was? Wovon reden Sie?« Paula Garland kratzte sich die Unterarme.
    »Donald Foster kennt Sie und Johnny, und Clare Kemplays Leiche ist auf einer seiner Baustellen in Wakefield gefunden worden.«
    »Das ist alles?«
    »Er ist die Verbindung zwischen Jeanette und Clare.«
    Paula Garland war ganz weiß und zitterte, riß an der Haut auf ihren Armen. »Glauben Sie, Donald Foster hat das kleine Mädchen umgebracht und mir meine Jeanette weggenommen?«
    »Nein, das sage ich nicht, aber er weiß es.«
    »Was weiß er?«
    Ich war aufgesprungen, der Verband löste sich, und ich brüllte:
    »Da draußen läuft ein Mann herum, der kleine Mädchen entführt, vergewaltigt und ermordet, und er wird wieder eines entführen, vergewaltigen und ermorden, und niemand hindert ihn daran, weil sich niemand auch nur einen Dreck darum schert.«
    »Ich schon.«
    »Das weiß ich, aber die nicht. Die interessieren sich nur für ihre kleinen Lügen und ihr Geld.«
    Paula Garland flog aus ihrem Sessel auf, küßte mich auf Mund, Augen, Ohren, drückte mich an sich und sagte immer und immer wieder: »Ich danke dir, ich danke dir, ich danke dir.«
    Mit der linken Hand krallte ich mich an ihren Wirbelknochen fest, meine Rechte baumelte taub herunter gegen ihren Rock, und der rote Baumwollfaden verfing sich im Verband.
    »Nicht hier«, sagte Paula, nahm vorsichtig meine weiße rechte Hand und führte mich die steile, steile Treppe hinauf.
    Oben gab es drei Türen, zwei waren zu, die dritte führte ins Bad. An den anderen beiden waren Plastiktürschilder befestigt:
    einmal Ma &Pa, einmal Jeanette.
    Wir stolperten durch die Tür Ma & Pa, Paula küßte mich immer leidenschaftlicher und redete immer schneller:
    »Dir ist das nicht egal, und du glaubst daran. Du weißt gar nicht, wieviel mir das bedeutet. Es

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