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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Dose Paracetamoltabletten ab, schluckte sechs Stück, um den Schmerz zu vergessen.
    Drohend tauchte Fitzwilliam auf, eine dreckige braune Bergarbeiterstadt.
    Die weiße rechte Hand am Lenkrad, die linke in den Taschen. Mit der gesunden Hand und den Zähnen faltete ich eine Seite aus dem Telefonbuch des Redbeck auseinander:
    Ashworth, D. 69 Newstead View, Fitzwilliam.
    Eingekreist und unterstrichen.
    FUCK THE IRA hatte jemand an die Eisenbrücke gesprüht.
    »He, Jungs. Wo finde ich Newstead View?«
    Drei Teenager in weiten grünen Hosen, die sich eine Zigarette teilten und dicke rosige Schleimbrocken an die Scheibe des Bushäuschens rotzten.
    »Was?« fragten sie.
    »Newstead View?«
    »Rechts am Schnapsladen. Dann links.«
    »Vielen Dank.«
    »Will ich auch hoffen.«
    Ich quälte mich, die Scheibe wieder hochzukurbeln, und würgte den Motor ab, als ich losfahren wollte; die drei grünen Hosen schickten mir einen rosigen Schauer und drei Mittelfinger hinterher.
    Meine vier Finger unter dem Verband waren zu Brei zerschlagen.
    Rechts am Spirituosenladen, dann links in die Newstead View.
    Ich hielt an und schaltete den Motor aus.
    Newstead View bestand aus Reihenhäusern mit Blick auf eine dreckige Moorlandschaft. Ponys grasten zwischen rostigen Traktoren und Metallschrott. Ein Rudel Hunde jagte eine Plastiktüte die Straße entlang. Irgendwo plärrten Babys.
    Ich suchte in meinen Jackentaschen.
    Nahm meinen Stift heraus. Mein Magen war leer, die Augen feucht.
    Ich starrte auf die weiße rechte Hand, die sich nicht schließen ließ, die weiße rechte Hand, mit der sich nicht schreiben ließ.
    Der Stift rollte langsam vom Verband und landete auf dem Boden des Wagens.
     
    69 Newstead View, ein sauberer Garten und Fensterrahmen, von denen die Farbe abblätterte.
    Der Fernseher lief.
    Klopf, Hopf.
    Mit der linken Hand stellte ich das Philips Pocket Memo in meiner rechten Jackentasche an.
    »Hallo. Mein Name ist Edward Dunford.«
    »Ja bitte?« sagte eine vorzeitig ergraute Frau mit krummen Zähnen und irischem Akzent.
    »Ist James zu Hause?«
    Die Hände tief in den Taschen eines blauen Hauskittels vergraben, sagte sie: »Sie sind der Typ von der Post, oder?«
    »Ja.«
    »Der, der mit Terry Jones gesprochen hat?«
    »Ja.«
    »Was wollen Sie von Jimmy?«
    »Nur kurz mit ihm sprechen, das ist alles.«
    »Er hat mit der Polizei schon lange genug gesprochen. Er muß das nicht noch mal durchkauen. Vor allen Dingen nicht …«
    Ich streckte die Hand aus und hielt mich am Rahmen der Haustür fest, um nicht umzufallen.
    »Sie hatten einen Unfall?«
    »Ja.«
    Sie seufzte und murmelte: »Na, kommen Sie rein und setzen Sie sich. Sie sehen nicht besonders gut aus.«
    Mrs. Ashworth scheuchte mich ins Vorderzimmer und in einen Sessel, der zu nah am Kamin stand.
    »Jimmy! Der Herr ist von der Post und will mit dir reden.«
    Meine linke Wange glühte schon; in dem Zimmer über mir rumste es zweimal laut.
    Mrs. Ashworth schaltete den Fernseher aus, und das Zimmer fiel in orangefarbene Dunkelheit. »Sie hätten früher kommen sollen.«
    »Warum?«
    »Na ja, ich hab’s nicht selber gesehen, aber die Gegend hier hat vor Polizei nur so gewimmelt, hat man mir erzählt.«
    »Wann?«
    »Gegen fünf Uhr heute morgen.«
    »Wo?« fragte ich und starrte im Dämmerlicht ein Schulphoto auf dem Fernseher an, ein langhaariger Bursche grinste mich an, der Krawattenknoten so groß wie sein Gesicht.
    »Hier. In der Straße.«
    »Um fünf Uhr früh?«
    »Ja, fünf. Keiner weiß, worum es ging, aber alle glauben, es …«
    »Halt den Mund, Ma!«
    Jimmy Ashworth stand in einem alten Schulhemd und roter Trainingshose im Türrahmen.
    »Ah, du bist auf. Tee?« fragte seine Mutter.
    »Bitte«, antwortete ich.
    »Ja«, sagte der junge Bursche.
    Mrs. Ashworth ging halb rückwärts aus dem Zimmer und murmelte etwas.
    Der Junge setzte sich auf den Fußboden, lehnte sich gegen das Sofa und strich sich die Strähnen aus dem Gesicht.
    »Jimmy Ashworth?«
    Er nickte. »Sind Sie der Kerl, der mit Terry gesprochen hat?«
    »Ja, bin ich.«
    »Terry sagte, da könnte Schotter für uns drin sein?«
    »Möglich.« Ich brauchte dringend einen anderen Platz.
    Jimmy Ashworth griff hinter sich nach einer Schachtel Zigaretten auf der Sofalehne. Die Schachtel fiel zu Boden, und er nahm sich eine Zigarette.
    Ich beugte mich vor und sagte leise: »Wollen Sie mir erzählen, was passiert ist?«
    »Was ist mit Ihrer Hand?« entgegnete Jimmy und gab sich Feuer.
    »Die hab ich mir in einer

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