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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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ist schon so lange her, daß es jemandem nicht egal war.«
    Wir waren auf dem Bett, das Licht vom Treppenabsatz warf warme Schatten auf Schrank und Frisierkommode.
    »Weißt du, wie oft ich noch immer aufwache und denke, ich muß Jeanette das Frühstück machen, ich muß sie wecken?«
    Ich lag auf ihr, erwiderte die Küsse, die Schuhe fielen lärmend zu Boden.
    »Ich möchte nur endlich wieder schlafen und aufwachen können wie alle anderen auch.«
    Sie setzte sich auf und zog ihre gestreifte Strickjacke aus. Ich versuchte mich auf die rechte Hand zu stützen und zog mit der linken Hand an den kleinen Blumenknöpfen ihrer Bluse.
    »Es war mir mal ungeheuer wichtig, daß niemand sie je vergißt, weißt du, daß niemand so über sie spricht, als sei sie Vergangenheit.«
    Meine linke Hand zog am Reißverschluß ihres Rocks, ihre Hand war an meinem Hosenschlitz.
    »Wir waren nicht glücklich, Geoff und ich, weißt du? Aber als wir Jeanette hatten, war uns, als sei es das alles wert.«
    Mein Mund schmeckte nach Salzwasser, ihre Tränen und Wörter kamen über mich wie ein harter, unablässiger Regen.
    »Und damals schon, als sie noch ein Baby war, selbst da lag ich schon nachts wach und fragte mich, was ich tun würde, wenn ihr irgendwas zustößt, selbst da sah ich sie schon tot vor mir; ich lag wach und sah sie tot vor mir.«
    Sie drückte meinen Schwanz zu fest; ich hatte meine Hand in ihrem Schlüpfer.
    »Meistens lag sie in ihrem kleinen roten Mantel auf der Straße, von einem Auto oder einem Lastwagen überfahren.«
    Ich küßte ihre Brüste, ging zum Bauch über, rannte vor ihren Wörtern und ihren Küssen davon, hinunter zu ihrem Schlitz.
    »Und manchmal sah ich sie erdrosselt, mißbraucht, ermordet, und dann stürmte ich in ihr Zimmer und weckte sie und drückte sie an mich und wollte gar nicht mehr aufhören.«
    Sie fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, kratzte Schorf ab, hatte mein Blut unter ihren Fingernägeln.
    »Und als sie dann nicht mehr nach Hause kam, da war alles, was ich mir vorgestellt hatte, da waren all diese fürchterlichen Dinge wahr geworden.«
    Meine Hand brannte, ihre Stimme statisches Rauschen.
    »Alles war wahr geworden.«
    Ich mit hartem, schnellem Schwanz in ihrem toten Raum.
    Sie Schreie und Flüstern im Dunkeln.
    »Wir begraben unsere Toten lebendig, oder?«
    Ich zog an ihrer Brustwarze.
    »Unter Steinen, unter Gras.«
    Knabberte an ihrem Ohrläppchen.
    »Wir hören sie Tag für Tag.«
    Lutschte an ihrer Unterlippe.
    »Sie reden mit uns.«
    Nahm ihre Hüfte.
    »Sie fragen uns: ›Warum, warum, warum?‹«
    Ich wurde immer schneller und schneller.
    »Ich höre sie jeden Tag.«
    Schneller.
    »Und sie fragt mich: ›Warum?‹«
    Schneller.
    »Warum?«
    Trockene, wunde Haut auf trockener, wunder Haut.
    »Warum?«
    Ich dachte an Mary Goldthorpe, ihre Seidenwäsche, ihre Strümpfe.
    »Sie klopft an diese Tür und will wissen: ›Warum?‹«
    Schneller.
    »Sie will wissen: ›Warum?‹«
    Meine Trockenheit an ihrer Trockenheit.
    »Ich höre sie: ›Warum, Mami?‹«
    Ich dachte an Mandy Wymer mit ihrem hochgerutschten Rock.
    »Warum?«
    Schnell.
    Trocken.
    Dachte an die falsche Garland.
    Verbraucht.
    »Ich kann nicht wieder allein sein.«
    Mein Schwanz war trocken und wund, ich hörte ihr im Dunkeln zu.
    »Sie haben sie mir weggenommen. Und dann Geoff, er …«
    Mit offenen Augen dachte ich an doppelläufige Schrotflinten, an Geoff Garland und Graham Goldthorpe, an blutige Muster.
    »Er war ein Feigling.«
    Vorbeifahrende Scheinwerfer warfen Schatten an die Zimmerdecke, und ich fragte mich, ob Geoff sich hier im Haus, in diesem Zimmer das Hirn weggepustet hatte oder anderswo.
    »Der Ring war mir sowieso immer zu weit«, sagte sie.
    Ich lag im Bett mit einer Witwe und Mutter, dachte an Kathryn Taylor und kniff die Augen zu, nur um nicht wirklich hier zu sein.
    »Und jetzt Johnny.«
    Ich zählte nur zwei Schlafzimmer und ein Bad. Ich fragte mich, wo Paula Garlands Bruder eigentlich schlief; in Jeanettes Zimmer?
    »Ich kann nicht mehr so weiterleben.«
    Ich fuhr mir über den rechten Arm, ihr Kissengeflüster plätscherte vor sich hin, ich war kurz davor einzuschlafen.
    Es war die Nacht vor Weihnachten. Mitten in einem dunklen Wald stand eine neugebaute Blockhütte, Kerzen leuchteten gelb in den Fenstern. Ich ging durch den Wald, dünner Schnee unter meinen Füßen, und öffnete die schwere Holztür. Im Herd brannte ein Feuer, und es roch nach gutem Essen. Unter einem makellosen Weihnachtsbaum

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