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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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das? Wer sind Sie?«
    »Ich glaube, jemand wird versuchen, Sie zu erpressen.«
    »Wer?« flehte die verängstigte Stimme.
    »Wir müssen uns treffen, Mr. Shaw.«
    »Womit erpressen?«
    »Sie wissen schon, womit.«
    »Nein, weiß ich nicht«, sagte die zittrige Stimme.
    »Sie haben eine Narbe von einer Blinddarmoperation und lieben es, sich diese von einem gemeinsamen Freund mit orangefarbenen Haaren küssen zu lassen.«
    »Was wollen Sie?«
    »Was für einen Wagen fahren Sie?«
    »Einen Rover; warum?«
    »Farbe?«
    »Kastanienbraun, rot.«
    »Kommen Sie um neun Uhr morgen früh zum Langzeitparkplatz an der Westgate Station. Allein.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Sie werden schon einen Weg finden.«
    Ich hängte ein; mein Herz raste mit 145 km/h.
    Ich sah zu dem Fenster auf der anderen Straßenseite hinüber, das Kind war verschwunden.
    Edward Dunford, Gerichtsreporter für den Norden Englands, brachte all ihren Sippschaften die Pest, nur einem nicht.
    »Wo warst du?«
    »Überall und nirgends.«
    »Hast du ihn gesehen?«
    »Darf ich reinkommen?«
    Mrs. Paula Garland hielt die rote Haustür auf und schlang die Arme fest um sich.
    In einem schweren Glasaschenbecher qualmte eine Zigarette, im Fernsehen lief leise Top of the Pops.
    »Wie sah er aus?«
    »Mach die Tür zu, Schatz. Es ist kalt.«
    Paula Garland schloß die rote Haustür, stand da und starrte mich an.
    Im Fernsehen sang Paul da Vinci Your Baby Ain’t Your Baby Anymore.
    Eine Träne kullerte ihr aus dem linken Auge auf die milchblasse Wange.
    »Also ist sie tot.«
    Ich ging zu ihr, legte meine Arme um sie und tastete nach ihrer Wirbelsäule unter der dünnen roten Strickjacke.
    Ich hatte dem Fernseher den Rücken gekehrt, aber ich konnte den Applaus hören und dann denAnfang von Father Christmas Do Not Touch Me.
    Paula hob den Kopf, ich küßte ihren Augenwinkel und schmeckte das Salz auf ihrer Haut.
    Sie lächelte den Fernseher an.
    Ich drehte mich um und sah, wie Pan’s People, die Go-go-Truppe, als sexy Weihnachtsmiezen mit Lametta und Baumschmuck im Haar kostümiert um die Geschenke herumscharwenzelten.
    Ich hob Paula hoch, stellte mir ihre kleinen nylonbestrumpften Füße auf die Schuhe, wir tanzten und donnerten mit den Beinen rückwärts gegen die Möbel, bis Paula lachte und weinte und mich fest umarmte.
     
    Ich wachte mit einem Ruck in ihrem Bett auf.
    Unten war das Zimmer still und roch nach kaltem Rauch.
    Ich machte kein Licht an, setzte mich in Unterhose und -hemd aufs Sofa und nahm den Telefonhörer ab.
    »Ist AF da? Hier spricht Eddie«, flüsterte ich.
    Das Ticken der Uhr erfüllte den Raum.
    »Na, was für eine Freude. Wo warst du so lange?« wisperte AF am anderen Ende.
    »Kennst du Derek Box?«
    »Unglücklicherweise hatte ich noch nicht das Vergnügen.«
    »Nun, er kennt dich, und er kannte Barry.«
    »Die Welt ist klein.«
    »Ja, und nicht sehr angenehm. Er hat mir ein paar Photos überlassen.«
    »Wie hübsch.«
    »Laß den Scheiß, AF. Photos von dir, wie du dem Stadtrat William Shaw einen bläst.«
    Stille. Nur Aladdin Sane am anderen Ende der Welt.
    »Stadtrat Shaw ist also Barrys dritter Mann, stimmt’s?«
    »Volltreffer.«
    »Verdammte Scheiße.«
    Das Licht ging an.
    Paula Garland stand unten an der Treppe, die rote Strickjacke bekleidete sie nur dürftig.
    Ich lächelte und flüsterte tonlos eine Entschuldigung, der Hörer in meiner Hand war ganz feucht.
    »Was hast du vor?« fragte AF.
    »Ich werde dem Stadtrat Shaw die Fragen stellen, die Barry nie hat stellen können.«
    »Du solltest dich da raushalten«, flüsterte AF.
    Ich sah Paula an und sagte: »Raushalten? Ich bin doch schon mittendrin. Und du bist eines der beschissenen Arschlöcher, die mich da reingezogen haben.«
    »Du hast doch mit Derek Box nichts zu schaffen, genausowenig wie Barry.«
    »Das sieht Derek Box aber ganz anders.«
    »Das ist eine Sache zwischen ihm und Donald Foster. Das ist ganz allein deren verdammter Krieg.«
    »Ach, das sind ja auf einmal ganz neue Töne? Was meinst du damit?«
    Paula starrte mich an und zog an ihrer Strickjacke.
    Ich hob entschuldigend die Augenbrauen.
    »Ich scheiß’ auf Derek Box. Verbrenn’ die Photos oder behalte sie für dich. Vielleicht kannst du sie ja anderweitig gebrauchen«, kicherte AF.
    »Scheiße. Die Sache ist ernst.«
    »Natürlich ist sie das, Eddie. Was hast du denn gedacht ? Barry ist tot, verdammt noch mal, und ich konnte noch nicht mal auf seine Beerdigung, weil ich viel zu große Angst hatte.«
    »Du

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