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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Comicskizzenblock in die Jacke und schloß die Tür zu Michaels Zimmer hinter mir.
    Dann ging ich die Treppe hinunter, aus dem Wohnzimmer kamen Kinderstimmen.
    Ein Zehnjähriger in einem grünen Pullover mit drei gelben Sternen darauf, stand auf einem Eßtischstuhl und hämmerte einen Nagel oben in den Türrahmen.
    Seine drei Freunde trieben ihn an, einer von ihnen hielt in seinen dreckigen kleinen Händen eine Schlinge aus einer Wäscheleine.
    »Was machen Sie hier?« fragte einer der Jungen, als ich die Treppe herunterkam.
    »Ja, wer sind Sie?« fragte ein zweiter.
    Ich machte ein verächtliches, offizielles Gesicht und fragte im Gegenzug: »Und was macht ihr da?«
    »Nichts«, sagte der Junge mit dem Hammer und sprang vom Stuhl herunter.
    Der Junge mit der Schlinge fragte: »Sind Sie ‘n Bulle?«
    »Nein.«
    »Dann können wir tun und lassen, was wir wollen«, sagte der Junge mit dem Hammer.
    Ich zog ein paar Münzen aus der Tasche und fragte: »Wo ist die Familie?«
    »Hat sich verpißt«, sagte einer.
    »Die kommen bestimmt nich’ wieder, wenn sie wissen, was gut für sie is’«, sagte der Junge mit dem Hammer.
    Ich klimperte mit den Münzen. »Der Vater ist ‘n Krüppel?«
    »Ja«, sagten sie lachend und machten spastische, pfeifende Geräusche.
    »Und seine Ma?«
    »Eine beschissene böse Hexe, das isse«, sagte der Junge mit der Wäscheleine.
    »Arbeitet sie?«
    »Als Putze in der Schule.«
    »In welcher?«
    »Fitz Junior an der Hauptstraße.«
    Ich schob den Stuhl aus der Türöffnung, ging den Weg hinunter und sah zu den dunklen Häusern links und rechts.
    »Geben Sie uns nun Geld?« rief der Jüngste hinter mir her.
    »Nein.«
    Der Junge mit dem Hammer stellte den Stuhl wieder hin, nahm seinem Kumpel die Leine ab, stellte sich auf den Stuhl und hängte die Schlinge an den Nagel.
    »Wozu soll das denn gut sein?« fragte ich und schloß den Viva auf.
    »Für Perverste«, rief einer der Jungen.
    »He«, sagte der Junge mit dem Hammer auf dem Stuhl lachend. »Besser, Sie sind kein Perverster.«
    »Oben in der Wanne liegt eine tote Katze«, sagte ich und stieg ein.
    »Wissen wir«, meinte der Kleinste kichernd. »Haben wir selber erledigt.«
     
    1, 2, 3,4,5, 6,7, eine alte Frau kocht Rüben.
    Ich saß in meinem Wagen auf der anderen Straßenseite der Fitzwilliam Junior and Infants School.
    Es war kurz vor fünf, in der Schule brannte noch Licht, das im Gebäude Wände voller Weihnachtszeichnungen erhellte.
    Auf dem dunklen Spielplatz spielten Kinder Fußball. Jagten in einem Rudel ausgebeulter Hosen und dunkler Wollpullover mit diesen großen gelben Sternen einem billigen orangefarbenen Ball hinterher.
    Ich saß frierend im Auto, haue den Verband unter eine Achsel geklemmt, dachte an den Holocaust und fragte mich, ob Michael John Myshkin auf diese Schule gegangen war.
    Nach etwa zehn Minuten gingen ein paar der Lichter aus, und drei dicke weiße Frauen kamen in Begleitung eines dünnen Mannes in einem blauen Overall aus dem Schulgebäude. Die Frauen winkten dem Mann zum Abschied, der zu den Kindern ging und versuchte, ihnen den Ball abzujagen. Die Frauen lachten, als sie durchs Schultor kamen.
    Ich stieg aus und eilte über die Straße den Frauen nach.
    »Entschuldigen Sie bitte?«
    Die drei dicken Frauen blieben stehen und drehten sich um.
    »Mrs. Myshkin?«
    »Machen Sie Witze?« spuckte die Größte der drei.
    »Von der Presse, was?« meinte die Älteste höhnisch.
    Ich lächelte: »Yorkshire Post.«
    »Bißchen spät dran, wie?« sagte die Größte.
    »Ich habe gehört, sie hat hier gearbeitet?«
    »Bis gestern, ja«, sagte die Älteste.
    »Wo ist sie hin?« fragte ich die Frau mit der Stahlbrille, die bisher noch nichts gesagt hatte.
    »Schauen Sie mich nicht an. Ich bin neu«, sagte sie.
    Die Älteste meinte: »Kevin sagt, einer von euch hat sie in irgendeinem noblen Hotel drüben in Scarborough untergebracht.«
    »Das ist nicht recht«, meinte die Neue.
    Ich stand da und dachte, Scheiße, Scheiße, Scheiße.
    Rufe vom Spielplatz und das Gerenne von Stiefeln.
    »Die werden noch die verdammte Scheibe kaputt schießen«, seufzte die Größte.
    »Und Sie beide haben mit Mrs. Myshkin gearbeitet?«
    »Mehr als fünf Jahre lang, ja«, antwortete die Älteste.
    »Wie ist sie denn so?«
    »Hatte ‘n hartes Leben.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, er ist Frührentner, wegen dem Staub …«
    »Ihr Mann war Bergmann?«
    »Ja. Hat mit Pat zusammengearbeitet«, sagte die Größte.
    »Und was ist mit

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