198 - In der Spiegelwelt
immer ihr tut, ihr könnt sie nicht abwenden! Es wird Tote geben - massenhaft!«
Die Kühlbox schloß sich, und das immer noch lodernde Feuer zerstörte die gesamte Anlage. Leitungen schmorten durch. Es kam zu einem knisternden Kabelbrand, der einen umfassenden Kurzschluß zur Folge hatte.
Schlagartig war es stockfinster im Leichenschauhaus, und ein höhnisches, krächzendes Gelächter verhallte zitternd. Noel Bannister preßte die Kiefer grimmig zusammen. Cayooda schien ein höchst unangenehmer Gegner zu sein. Der CIA-Agent befürchtete, daß ihm dieser Höllenfeind das Leben in naher Zukunft verdammt schwermachen würde.
Der Schaden, den Cayooda angerichtet hatte, war beträchtlich. Aber wenn sonst nichts mehr geschehen wäre, hätte man es verkraften können.
Doch Cayooda hatte eine Invasion des Grauens angekündigt, deren Grundstein er bereits gelegt hatte. Das machte Noel Bannister berechtigt Sorgen.
Er richtete sich auf. Dr. Keefer ächzte unter ihm.
»Sind Sie okay?« erkundigte sich der CIA-Agent.
»Ich denke schon«, stöhnte der Gerichtsmediziner. »Von ein paar Blutergüssen, die ich mir beim Hinfallen geholt habe, abgesehen…«
Noel Bannister stand auf. Er griff nach Dr. Keefers Arm und zog ihn auf die Beine.
»So etwas habe ich noch nicht erlebt«, gestand der Gerichtsmediziner überwältigt.
Noel bat ihn, mit niemandem darüber zu sprechen. »Wir wollen in der Stadt keine Panik heraufbeschwören.«
»Aber der Kabelbrand… der Kurzschluß… die verkohlte und geschrumpfte Mädchenleiche…«
»Darüber brauchen Sie keine Meldung zu machen, das übernehme ich«, sagte der CIA-Agent. »Sie brauchen nur zu schweigen.«
»Ich wüßte ohnedies nicht, wie ich all das erklären sollte«, seufzte Dr. Keefer.
»Eben. Und es ist niemandem gedient, wenn die Sache von den Medien aufgegriffen und aufgebauscht wird.«
»Was werden Sie unternehmen, Mr. Bannister?«
Noel grinste, aber das konnte Dr. Keefer in der Dunkelheit nicht sehen. »Ich werde Cayooda vernichten, was sonst?«
***
Sie trafen sich auf dem Brompton Cemetery, Londons Paradefriedhof. Hinter einem Mausoleum fanden sich Kevin Byrnes Freunde ein - sechs an der Zahl.
Stolz machte Kevin den Deutschen und den Amerikaner mit den Mitgliedern seiner Gruftie-Clique bekannt. Es waren auch zwei Mädchen dabei: Sandy und Gloria. Sandy war ein bißchen dicklich. Sie trug schwarze Lederkleidung, und ihr breitflächiges Gesicht war kalkweiß. Gloria war das genaue Gegenteil von Sandy, war knochendürr und hatte nicht einmal die Andeutung eines Busens, obwohl sie bereits neunzehn war.
Die Grufties setzten sich auf die glatten Platten der umliegenden Gräber. Sie spielten »Höllenmusik«. Heavy-Metal-Nummern, die in irgendeiner Form das Thema Hölle, schwarze Magie, Hexen oder Teufel behandelten.
Das waren eine ganze Menge Songs. Einer von Kevins Freunden hatte sie auf Band aufgenommen und ließ die Kassette nun laufen. Einige der Songs waren mit einem Bannfluch belegt und durften in den öffentlichen Rundfunkanstalten nicht gespielt werden.
Bier wurde ausgegeben. Holger Altmann riß den Verschluß auf. Weißer Schaum zischte aus der Dose und bespritzte Sandy, die neben ihm saß.
»Entschuldige«, sagte Holger.
»Macht nichts. Dem Leder schadet es nicht«, gab Sandy zurück. Sie zeigte Gefallen an dem Jungen aus Deutschland. Der wäre mal was Neues gewesen, was sie von Kevin und den anderen nicht mehr behaupten konnte.
Auch gegen ein kleines heimliches Beisammensein mit Larry Burnett hätte sie nichts einzuwenden gehabt. Sandy war an diesen Dingen immer interessiert, man brauchte sie nicht erst lange zu bitten.
Kevin forderte Holger auf zu erzählen, was er und seine Gruftie-Clique daheim in Deutschland so trieben. Er sprach über die Treffen, hatte aber nichts Aufregendes zu bieten.
Larry Burnett jedoch konnte mit einer echten Sensation aufwarten. Er schlug die Grufties mit seinem Bericht von Anfang an in seinen Bann.
Schweigend und beeindruckt hörten sie zu, während »satanische« Klänge aus dem Kassettenrecorder seine Worte untermalten.
»Wir treffen uns seit zwei Jahren auf dem Mount Zion Cemetery«, erzählte Larry, »und reden über dies und jenes, ohne die Ruhe der Toten zu stören. Wir verstehen die Angst vieler Menschen vor Friedhöfen nicht. Man ist nirgendwo sicherer… Jedenfalls war das bis vor kurzem so.«
»Was hat sich geändert?« wollte Gloria wissen.
Sandy öffnete ihre zweite Bierdose. Deshalb ist sie so mollig,
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