1980 Die Ibiza-Spur (SM)
machen müsse, den Weg zum Schacht, zum Stollen.
Er hatte ihr klargemacht, daß der Inselaufenthalt zu zweit ganz generell eine gute Tarnung sei, daß aber, sollten sie beide in der Nähe des Stollens entdeckt werden, die Flucht in ein vorgetäuschtes Rendezvous nichts nützen würde, nicht zu der nächtlichen Stunde und nicht an jenem Ort. Schließlich dürfe sie auch nicht vergessen, daß der Abstieg in den Brunnen vermutlich viel Zeit in Anspruch nehmen würde, er aber nicht mit der erforderlichen Ruhe dort unten arbeiten könne, wenn er gleichzeitig um ihren Schutz besorgt sein müsse. So hatte sie zuletzt ihr Einverständnis gegeben, und nun näherten sie sich, beide glücklich über den beschlossenen Quartierwechsel, dem acht Kilometer östlich der Stadt am Meer gelegenen Club, fuhren auf einer schmalen, kurvenreichen Straße durch hügeliges Waldgelände, erreichten das Portal und den Schlagbaum, stiegen aus.
Ein junger, weißgekleideter Spanier setzte sie ins Bild, das ausgedehnte Clubgelände mit Straßen, Siedlungen, Tennisplätzen, Schwimmbad, Golfplatz, Restaurants und sogar einem Selbstbedienungsladen gehöre einer AktienGesellschaft, deren Mitglieder eigene Häuser auf dem Areal hatten. Einige der Bungalows waren zu vermieten. Und dann bot der junge Mann, der, wie er erklärte, aus Madrid stammte, aber auf dieser Insel seine zweite Heimat gefunden hatte, ihnen an, sie durch den Club zu führen. Im Jeep fuhr er ihnen voraus.
Eine halbe Stunde später hatten sie ein auf dem felsigen Küstenstreifen stehendes Haus gemietet, einen weißen Flachbau in maurischem Stil, nur ein paar Schritte vom Wasser entfernt, das hier viel vehementer war als am Strand von San Jorge und sich, ihnen zu Füßen, zwischen den Klippen austobte. Der Madrileño gab ihnen ein paar nützliche Tips: Sie sollten beim Baden leichte Gummischuhe tragen, wegen der Seeigel, und für die Gäste seien kleine, bequem zu erreichende Plateaus in die Felsen geschlagen worden; dort könnten sie ihre Sonnenbäder nehmen.
Dann fuhr der Spanier mit seinem Jeep zum Portal zurück. Sie waren allein, traten auf die Terrasse hinaus und an die steinerne Brüstung, sahen lange, ohne ein Wort zu sagen, auf das Wasser, das weiter draußen ruhiger war und türkisfarben schimmerte, sich aber vorne an, flankiert von dem dunklen Gestein und darum fast stahlgrau in der Färbung, mit Macht gegen die Küste warf.
Endlich sagte Klaus: »Ich glaube, das ist der richtige Ort für uns. Er ist besser als das CASTILLO dazu geeignet, daß man nach wer weiß welch finsteren Abenteuern zu ihm zurückkehrt.«
»Ja«, antwortete sie, »hier ist es schön.« Und dann fragte sie: »Wie bist du darauf gekommen, gerade hierher zu gehen und gerade heute?« Sie sah ihn von der Seite her an, fast prüfend, wie es ihm schien, aber er ließ sich nicht irritieren und sagte noch einmal das gleiche, was er ihr schon am Vormittag gesagt hatte, nur kürzer: »Da die Nachforschungen im CASTILLO wegfallen, besteht kein Grund, bei einem Mann wie Hentschel zu wohnen.«
Den wirklichen Grund verschwieg er ihr, wie er ihn auch am Morgen verschwiegen hatte. Er wollte sie nicht beunruhigen. Seit er entschlossen war, den zweiten nächtlichen Vorstoß zur Bleimine allein zu machen, hatte er sich natürlich auch mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, daß man ihn entdeckte und festhielte, ja, daß man vielleicht sogar schnell bereit wäre, mit ihm ähnlich zu verfahren wie mit Victor. Und da es dann nicht lange dauern würde, bis man ihn, wenn auch nicht als Klaus Hemmerich, so doch als Gast des Hotels EL CASTILLO identifizierte, ergäbe sich auch für Christiane Gefahr, denn man wüßte, sie würde die Behörden einschalten, wenn er nicht wiederkäme. Darum wäre es dann nur konsequent, auch sie in Gewahrsam zu nehmen.
Darum der Auszug aus dem CASTILLO.
Darum auch keine neue Adresse, sondern die vage
Information, sie gingen auf eine mehrtägige Segeltour. »Und wie hast du diesen Club gefunden, der, wie mir
scheint, schöner ist als jedes Hotel auf dieser Insel?« »Heute vormittag, als ich vom Schneider zurückkam und
dann noch ein bißchen durch die Gegend fuhr, befand ich
mich plötzlich auf der Straße, über die wir eben
gekommen sind. Ich las die Schilder an den Bäumen und
fuhr bis ans Portal. Und da hab ich dann gesehen, wie schön es hier ist.«
Sie gingen ins Haus, schoben die großen, gläsernen Terrassentüren zu, sahen sich, diesmal gründlicher als beim ersten
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