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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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als unzweckmäßig erweisen können. Es war nur ein kurzes Gespräch, wenige Sätze hin und her, denn diesmal glitt die Kabine ohne weiteren Aufenthalt bis nach unten durch. Den neuen Sockel hatten die beiden nicht gesehen, wie er ihnen auch nach der Mittagsstunde, als sie gemeinsam hinauffuhren, nicht aufgefallen war.
    Um 17.42 Uhr bestand eine gewisse Chance, daß das geheime Uhrwerk vorzeitig zum Stillstand gebracht würde. Ein einzelner Herr, ebenfalls seit langem mit dem Gebäude und dessen Fahrstuhl vertraut, warf, als er im Erdgeschoß die Kabine verlassen hatte und durch die Halle auf die Drehtür zuging, dem Pförtner die Bemerkung hin: »Gut gemacht, die Leiste, und vielleicht verhindert sie sogar, daß der Kasten, wie neulich, wegen Überfüllung stehenbleibt!«
    Er hatte es sehr eilig, dieser Herr, nahm das letzte seiner Worte sogar mit hinein in die kleine, von den Türblättern in vier Sektoren aufgeteilte Rotunde und hatte, ehe der Pförtner aus seinem Kreuzworträtsel aufgetaucht war, schon den Bürgersteig betreten. Der Hüter des Hauses, eben noch befaßt mit germanischem Wurfspieß und altrömischem Gewand, empfand die ihm zugeflogenen Begriffe wie »Leiste« und »Kasten« als Querschläger, die seinen Denkprozeß störten, wußte mit ihnen nichts anzufangen, warf dennoch, weil der Herr während seines Zurufs mit einer fahrigen Bewegung hinter sich gewiesen hatte, einen kurzen Blick auf die Fahrstuhlkabine. Da er sich aber nicht bequemte aufzustehen, sondern nur flüchtig über seinen Tresen hinwegsah, bemerkte auch er die kleine bauliche Veränderung nicht, die ihm, gerade ihm und vielleicht nur ihm als dem für solche Auffälligkeiten zuständigen Mann, zu Bedenken hätte Anlaß geben können. Zumindest hätte er sich wohl gefragt, wann und durch wen der Einbau des Sockels stattgefunden haben mochte, und dann wäre er vielleicht dahintergekommen, daß etwas Seltsames, ja Mysteriöses im Spiele war. Denn am Morgen, als er seinen Dienst antrat, war er einmal bis in den achten Stock hinauf- und gleich danach wieder heruntergefahren, und da war die Leiste noch nicht vorhanden gewesen. Andererseits hatte er während des ganzen Vor- und Nachmittages niemanden mit einem viereinhalb Meter langen, zweimal geknickten und Velour beklebten Gegenstand die Halle betreten sehen. Gewiß hätte er nicht gleich den etwa dreißigjährigen Kellner, der während der Mittagsstunde, ein Tablett in der Hand, ins Gebäude gekommen war, mit dem neuen Fahrstuhlzubehör in Verbindung gebracht, hätte schwerlich kombinieren können, daß dieser Mann nur zum Zwecke der Täuschung ein Stück nach oben gefahren, gleich darauf aber über die Treppe wieder heruntergekommen war und dann eine Hintertür des Gebäudes geöffnet hatte, um seinen Komplicen mit dem monströsen Gegenstand ins Haus zu lassen, so daß sie zu zweit in weniger als einer Minute den maßgefertigten Rahmen im Fahrstuhl auslegen konnten. Das alles hätte er, selbst bei schärfstem Verstand und mit einem Höchstmaß an Mißtrauen, nicht – zumindest nicht ohne weiteres – kombinieren können. Aber weil es sonst nichts gab, womit sich die seinem Blick zwar entgangene, aber tatsächlich doch irgendwann zwischen Morgen und Abend vorgenommene Montage des Sockels hatte erklären lassen, wäre er, bei etwas mehr Beflissenheit gegenüber dem eiligen Herrn, stutzig geworden, hätte nachgedacht, den Tagesablauf rekapituliert, vielleicht sogar den Sockel untersucht und dann festgestellt, daß er nicht verschraubt, sondern nur eingepaßt war. Und dann wäre ihm das Auftreten des Kellners als einziges vom üblichen Tagverlauf abweichendes Vorkommnis vielleicht doch eingefallen und hätte ihn zu Nachforschungen, am Ende sogar zur Einschaltung der Polizei veranlaßt. Jedoch, er blieb sitzen, entdeckte infolgedessen die Veränderung nicht, und so tickte es unaufhaltsam weiter auf dem Fußboden des auf- und niedergleitenden Gehäuses.
    Um 17.48 Uhr fuhren sechs Personen nach unten, vier Herren und zwei Damen. Einer der Männer stand mit dem Rücken an die Kabinenwand gelehnt. Er hielt das rechte Knie leicht angewinkelt und ein wenig nach vorn geschoben. Seine Ferse ruhte auf dem Sockel, während die Spitze seines grauen Wildlederschuhs schräg nach unten zeigte. Er war schon oft in dieser Haltung auf- und abwärts gefahren, ja, es war, wie die anderen es gewiß hatten bestätigen können, die für Liftfahrten typische Haltung dieses Mannes, doch nie vorher hatte er dabei mit

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