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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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erzählt, er fahre zur See und sei mit dem Meer bestens vertraut, hatte sogar sein Seefahrtsbuch vorgezeigt, und obwohl dieses Papier mit der Taucherei nichts zu tun hatte, war der Verkäufer schließlich einverstanden gewesen.
    Er wollte, auch wenn die Äste ihn wegen des sperrigen Tauchgerätes auf seinem Rücken diesmal noch mehr behindern würden, den Aufstieg von der Waldseite her vornehmen. Da konnte er sein Licht benutzen, und außerdem würde er sich den Balance-Akt auf der Turmkante ersparen.
    Als er halb um den Turm herumgegangen war und die Sprossenleiter erreicht hatte, hakte er die Lampe vom Gurt und ließ sie aufblitzen. Der Strahl fiel auf eine im Mauerwerk vertikal verlaufende Linie aus Zement, die er in der vergangenen Nacht übersehen hatte. Mit dem Licht aus seiner Hand verfolgte er ihren Verlauf. Sie führte zunächst etwa zwei Meter senkrecht nach oben, dann einen Meter zur Seite, dann wieder hinunter bis auf den moosbedeckten Boden. Also hat es eine Tür gegeben, dachte er. Schade, daß sie nicht mehr da ist! Ich hätte es so viel einfacher gehabt.
    Er hängte die Lampe, die mit einem Metallhaken und einer ledernen Schlaufe versehen war, wieder an den Gurt, trat auf die erste Sprosse zu, begann den Aufstieg.
    Es erforderte Geschicklichkeit, unbeschadet an den Zweigen vorbeizukommen. Einmal blieb ein Gurt im Geäst hängen, aber da er sich auf den Stufen schon ein wenig auskannte und auch ruhiger war als beim erstenmal, hatte er sich in wenigen Augenblicken wieder befreit.
    Oben angekommen, ging er sofort daran, den Deckel zu heben und beiseite zu schieben. Das dauerte diesmal länger, weil er nicht nur einen Spalt zum Hinuntersehen, sondern für den Einstieg die ganze Lukenbreite brauchte. Nachdem er es endlich geschafft hatte, die schwere Luke über die Bohlen zu schieben, ruhte er sich einen Moment aus. Sein Atem ging schwer, und er spürte, wie ihm der Schweiß übers Gesicht lief. Auch auf dem Rücken, wo das Gerät auflag, und überall dort, wo die Gurte schnürten, war seine Haut naß. Er dachte: Das ändert sich, wenn ich erst mal da unten bin, da werde ich zwar auch naß sein, aber bestimmt nicht mehr schwitzen.
    Er knöpfte die Lampe los und leuchtete, wie beim erstenmal, den Schacht aus. Fast erschrak er über die Lichtfülle in der tief hinabreichenden Röhre. Die Lampe, nicht wie die andere von normalen Batterien, sondern von einem NC-Sammler gespeist und mit einer 16-VoltGlühbirne ausgestattet, ließ ihn noch weit unten jede Einzelheit deutlich erkennen: die eisernen Sprossen, die bemoosten Mauersteine, die Fugen. Ganz unten, auf dem Wasserspiegel, sah es aus, als träfe der Strahl auf eine schwarzglänzende Teerfläche.
    Er befestigte die Lampe wieder am Gurt, kletterte über den Rand, prüfte, bäuchlings über der Mauerkante hängend, mit den Füßen die Haltbarkeit der ersten Stufe, war zufrieden, begann den Abstieg, Schon bald war es Routine, was er beim Wechsel von Stufe zu Stufe im einzelnen zu tun hatte, das Tasten nach unten mit dem rechten Fuß, das Aufsetzen, das langsame Verlagern des Körpergewichtes von der oberen auf die untere Sprosse, das Nachsetzen des linken Fußes und schließlich das Greifen mit den Händen, erst mit der rechten, dann mit der linken.
    Was die Leine betraf, hatte er seinen Plan abgewandelt. Er wollte sie nicht an der obersten Sprosse, sondern erst nahe dem Wasserspiegel anbringen. Das allerdings erschien ihm unerläßlich, denn er mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß der Grund morastig war und er einsank, vielleicht so tief, daß er sich nur mit Hilfe eines Seils wieder herausziehen konnte.
    Etwa nach jeder fünften Stufe verhielt er kurz, knöpfte die Lampe los und leuchtete. Je weiter er hinuntergelangte, desto intensiver wurde der Geruch des fauligen Wassers. Und die Stufen waren, je tiefer sie lagen, um so feuchter und glitschiger. Auf dem letzten Drittel der Strecke hatten Dunst und Moder die eisernen Krampen mit einer übelriechenden, schleimigen Schicht überzogen, die ihn zu besonderer Vorsicht zwang. Ja, einmal geriet er ins Rutschen, wäre fast von der Sprosse geglitten, konnte sich gerade noch rechtzeitig abfangen. Mit der Routine also war es nun vorbei. So kam er auf den letzten Metern nur langsam weiter, weil er nicht mehr allein die Haltbarkeit des Eisens, sondern immer auch die Beschaffenheit der Oberfläche sorgfältig zu prüfen hatte und lange zögerte, bevor er sich mit seinem ganzen Gewicht auf die nächste Sprosse

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