1980 Die Ibiza-Spur (SM)
zwei bereits gepackte Campingbeutel, ließen alles andere in den Kabinen zurück, die leeren Koffer, die Kittel, auch die Werkzeugtasche, machten sich auf den Weg.
Fünf Minuten später erreichten sie den Parkplatz, auf dem sie schon vor zwei Tagen einen dunkelblauen Volvo abgestellt hatten. Der Kofferraum des Wagens enthielt ihr großes Gepäck, alles das nämlich, was sie für die letzten Tage hatten entbehren können, die Stereo-Anlage, Kleidung, ein paar Haushaltsgegenstände, schließlich auch das Steyr-Mannlicher-Repetiergewehr. Sie stiegen ein, verließen den Platz, fuhren durch die ganze Stadt zurück und auf der anderen Seite hinaus, dann zwei Stunden über Bundesstraßen und Autobahnen. Um neun Uhr hörten sie im Autoradio die Nachrichten. Ihr Anschlag auf Alexander Pleskow war gelungen. Der Anwalt und mit ihm ein weiterer Bewohner des Hauses waren bei der Explosion der Bombe ums Leben gekommen. Und dann hörten sie: »Der Tat dringend verdächtig sind zwei junge Männer von ca. fünfundzwanzig Jahren, beide schlank und zwischen 1,70 Meter und 1,80 Meter groß, der eine mittelblond und mit Vollbart, der andere dunkelhaarig und mit Schnurrbart. Beide waren mit blauen Arbeitskitteln bekleidet, die sie aber inzwischen abgelegt haben dürften. Möglicherweise führen sie drei Gepäckstücke bei sich, zwei braune Koffer aus Leder oder Lederimitation und eine große, schwarze Werkzeugtasche. Die beiden Verdächtigen sprechen norddeutsche Mundart. Der von ihnen benutzte Lieferwagen konnte inzwischen sichergestellt werden. Es handelt sich um ein gestohlenes Fahrzeug. Es ist möglich, daß das Verbrechen politische Hintergründe hat. Sachdienliche Hinweise, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.«
Herles bog an der nächsten Ausfahrt ab und brachte den Volvo wenige Minuten später in einem Waldweg zum Stehen. Was dann geschah, gehörte ebenfalls zur Aktion. Sie hatten es nur deshalb hinausgezögert, weil es ihnen wichtiger erschienen war, sich erst mal ein gutes Stück vom Tatort zu entfernen.
Sie stiegen aus und rasierten sich die Bärte ab, schnitten zunächst das Gröbste mit der Schere weg und benutzten dann einen batteriebetriebenen Rasierapparat. Danach lösten sie die kleinen runden Pflaster aus transparenter Folie von ihren Fingerkuppen. Die gut haftenden, hauchdünnen Blättchen hatten sie sich vom ersten Tag an aufgeklebt, sie jeden Morgen erneuert, und so gab es nirgendwo, weder in der Wohnung noch im Lieferwagen noch auf einem der zurückgelassenen Gegenstände einen Fingerabdruck von ihnen.
Sie stiegen wieder ein, fuhren zur Autobahn zurück. »Wir waren besser als Felipe«, sagte Knut Vetter. »Zugegeben, seine Idee mit dem Fahrstuhl war nicht schlecht, aber daß ausgerechnet die Bombe die beiden Schneider gerettet hat, das ist ein dickes Ei.«
»Ich tippe, Julia setzt uns jetzt auf die beiden Österreicher an«, sagte Herles.
»Die sind doch verschwunden.«
»Vielleicht weiß Julia längst, wo sie sind, und sagt es mir, wenn ich nachher anrufe.«
»Mann, ich würde so gern mal Urlaub machen!«
Aber auf diese Bemerkung seines Komplicen ging Herles gar nicht ein, sondern er sagte: »Kann auch sein, daß es schon zu spät ist. Der Prozeß läuft, und bestimmt hat man die Zeugenaussagen der beiden sichergestellt. Also wäre es Blödsinn, sie noch auszuschalten, und genau das werde ich Julia sagen.«
»Dann komme ich auf mein Anliegen zurück, mal Urlaub machen! Mal ein paar Tage irgendwohin fahren, wo wir nicht solche Scheißarbeit machen müssen. Und da will ich so richtig gammeln, weißt du. Jeden Tag schwimmen, gut essen, abends in die Disco und endlich auch mal was aufreißen.«
»Warum nicht auf Ibiza?«
»Danke, nein, das war ja schlimmer als beim Bund.«
»Aber es hat uns verdammt gut getrimmt«, sagte Herles, »und außerdem: Wir wissen, wofür wir das alles machen.«
XV.
Es war kurz nach zehn, als Klaus Hemmerich erwachte. Er war noch müde. Die wenigen Stunden Schlaf nach dem nächtlichen Einsatz im Wald von San Carlos hatten nicht ausgereicht; dennoch stand er auf.
Er trat an die Zwischentür und lauschte, hörte nichts. Christiane schlief bestimmt noch. Er wollte sie nicht wecken, und darum verzichtete er aufs Duschen, wusch sich nur schnell das Gesicht mit kaltem Wasser und putzte die Zähne. Als er sich angezogen hatte, schrieb er auf einen Zettel: »Guten Morgen, Nachtschwärmerin! Schlaf Dich aus! Ich fahre mal eben zum Schneider, bin in
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