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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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düsteren Ort nicht gefunden zu haben, setzte das grausige Bild seinen Nerven so heftig zu, daß es ihm fast zum Verhängnis wurde.
    Es war nicht allein das Bild, das ihn attackierte, nicht allein der plötzliche Anblick des gedunsenen, stellenweise aufgesprungenen Kadavers; damit wäre er fertig geworden. Aber da gab es ja noch die Sekunde davor, die Berührung seiner Hände mit etwas Körperhaftem, von dem sich beim ersten Zugriff nicht hatte sagen lassen, was es war. Und wenn er auch gerade vorher auf Grund der Maße, die für einen Menschen zu klein waren, beruhigt gewesen war, so mußte sich ihm doch für diese eine Sekunde die Erkenntnis aufgedrängt haben, dort könnte ein menschlicher Torso liegen. Es half nichts, daß diese Erkenntnis schon wenige Augenblicke später korrigiert wurde, sie war durchgeschlagen und hatte die physische Reaktion in Gang gesetzt. Daß es nur ein toter Hund war, hatte Beruhigung geschaffen vielleicht im Kopf, aber nicht im Bauch.
    Sein Magen rebellierte. Er begann zu würgen, zu schlucken, kämpfte verzweifelt gegen den Brechreiz an. Und dann wurde er ein Opfer seiner panischen Reaktion, denn die krampfartigen Bewegungen, mit denen er sich gegen die Übelkeit wehrte, fielen allzu heftig aus. Bei einer ruckartigen Drehung des Körpers riß der Schlauch, er war an der Egge hängengeblieben und hatte der so plötzlich entstandenen starken Zugkraft nicht standgehalten. Die Verbindung zur Sauerstofflasche war unterbrochen. Er sog Wasser an.
    Er griff hinter sich, fand die Stelle, an der der Schlauch beschädigt war, wußte sofort. Das ließ sich hier unten nicht reparieren! Er spuckte das Mundstück aus und erbrach sich dann doch. Das bedeutete Erlösung, aber es bedeutete auch neuerliche Chaotik, denn der eruptive Vorgang war so vehement, daß er sich nicht mehr kontrollieren konnte. Er schluckte Wasser. Endlich trat Beruhigung ein. Er preßte die Lippen aufeinander, hatte den Schwächeanfall überstanden. Nun mußte er schnell hinauf. Er stieß sich ab und hielt dabei auf die Sprossen zu, doch kaum war er ein Stück in die Höhe geschnellt, da wurde er zurückgerissen. Er begriff sofort, was geschehen war: Die Leine hatte sich, während er über den Boden gekrochen war, festgezurrt. Er griff nach der Lampe, riß sie vom Gurt, leuchtete hinunter, und da erst erkannte er, wie groß die Gefahr wirklich war. Das eine Ende der Leine hatte er oben an der Sprosse befestigt, das andere war um seinen Leib geschlungen und verknotet, und ein etwa fünf Meter langes Stück hatte sich – die Lampe zeigte es ihm – mit geradezu labyrinthischen Verschlingungen in dem eisernen Gestrüpp verheddert.
    Er zog, zerrte. Es nützte nichts. Und es hätte auch nichts genützt, die mörderische Schnur mit Bedacht und mit System Meter für Meter aus dem Gestänge zu lösen, denn ehe er auch nur die Hälfte geschafft hätte, wäre er erstickt. Er griff sich an den Leib, tastete nach dem Knoten. Auf seinen Schiffen hatte er wohl an die tausend Knoten gelöst, manchen davon im Nu. Diesen schaffte er nicht. Der Hanf, vollgesogen mit Wasser, widersetzte sich seinen nervösen Händen. Er grub die Nägel hinein, zerrte, doch die straffgezogenen Stränge gingen nicht auseinander.
    Wieder schluckte er Wasser. Es ekelte ihn nicht, denn in diesen Sekunden des verzweifelten Ringens war er über allen Ekel hinaus. Er schluckte ein zweites, ein drittes Mal, und er wußte: Das war der Anfang vom Ende, war die Atemautomatik, die körpereigene, die sich zwar für eine kurze Weile anhalten, aber nicht abstellen läßt, sondern von einem bestimmten Augenblick an auch den härtesten Willen zu Fall bringt und wieder zu pumpen beginnt. Nur daß es jetzt keine Luft war, was hereinkam.
    Nun erwies es sich als Fehler, nicht wenigstens das zur Ausrüstung gehörende Beinmesser mitgenommen zu haben. Mit einem einzigen Schnitt hätte er sich befreien können. Er ließ von dem Knoten ab, und wenn es nicht die letzte Sekunde war, in der ihm noch etwas Rettendes einfallen konnte, so war es gewiß die vorletzte. Und ihm fiel etwas ein! Er griff nach der Lampe, die auf den Grund gefallen war, schlug das Glas gegen die Egge. Es wurde dunkel. Er erschrak, denn in seiner Panik hatte er diese Nebenfolge, die plötzliche, undurchdringliche Finsternis, nicht einkalkuliert. Doch was er jetzt wollte, ließ sich auch im Dunkeln vollbringen, vorausgesetzt, er konnte das verfluchte Wasserschlucken reduzieren. Er tastete nach dem Lampenkopf, riß eine

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