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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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den Deckel. Dann kletterte er abwärts, froh, daß es nun nicht mehr das Innere dieser finsteren, stinkigen Röhre war, sondern ihre Außenwand. Er nahm die Stufen ziemlich forsch, angetrieben wohl auch von dem erhebenden Gefühl, eine tödliche Gefahr besiegt zu haben, und kam sogar einigermaßen glatt an den Zweigen vorbei. Es fehlten nur noch vier Stufen; er hatte wieder mitgezählt und gerade überlegt, ob er schon auf den Boden springen könnte, da tauchte die neue Bedrohung auf. Er hörte sie, aber nicht so, wie man einen Laut hört, der noch beschwichtigende Deutung zuläßt, nein, es war sofort eindeutig. Wütendes Gebell brach in die nächtliche Stille ein. Wie in einem Reflex stieg er in Sekundenschnelle wieder aufwärts, erklomm drei Stufen. Gleich darauf hörte er Zweige brechen, dann das Fauchen. Und er wußte: Das da unten im Wasser, der befreiende Schnitt mit der Scherbe, war vielleicht doch nicht die Rettung gewesen, sondern nur Aufschub, und was möglicherweise jetzt bevorstand, konnte schlimmer sein als Ertrinken. Und das Groteske: Es war wieder ein Hund!
    Das Tier war nun da, war genau unter ihm. Sicher hatte es vom Haus her oder aus noch weiterer Entfernung seine Tritte auf die metallenen Sprossen gehört und das Scheppern des Geräts, und nun war es herangekommen und machte wilde Sprünge Turm aufwärts, bellte weiter mit durchdringender Lautstärke, fauchte.
    Er drehte sich halb herum, sah hinunter, sah mehrmals den Schatten auf sich zukommen und wieder zurückfallen. Es war, soviel konnte er erkennen, ein großes Tier; vermutlich ein Schäferhund oder einer der kolossalen schwarzen Ibizenko-Hunde.
    Was sich im folgenden abspielte, währte, wenn es viel war, zwei Minuten, und Klaus Hemmerich wußte im voraus, wußte es schon beim ersten ängstlichen Blick nach unten, daß ihm höchstens eine solche Frist zum Handeln blieb. Er hatte keinen Zweifel. Dieses wütende Tier, vermutlich von Hentschels Leuten zur Bewachung des Stollens eingesetzt, war für ihn lebensgefährlich, sei es, daß es ihn packte und zerriß, sobald er herunterkam, sei es, daß es seinen Herrn heranrief, der bestimmt nicht weit war. Die Gefahr war nur abzuwenden durch sofortiges Handeln, und das bedeutete. Er konnte das Leben dieses Hundes nicht schonen, wenn er den Versuch machen wollte, sein eigenes zu retten.
    Er drehte sich vollends herum, blieb aber auf nur einem Bein stehen, winkelte das andere ein und hakte sich mit den Zehen an der nächst höheren Stufe fest, beugte sich ein wenig vor. Dann schnallte er das Sauerstoffgerät vom Rücken, zog die Arme aus den Gurtschlaufen, packte die schwere Flasche an ihren Enden, hielt sie sich vor die Brust und blickte über sie hinweg nach unten. Was er sah, bestärkte ihn in seinem Vorsatz. Immer wieder flog der Schatten auf ihn zu, glitt zurück auf den Boden. Und die Geräusche bewirkten ein übriges, das bedrohliche Knurren, der fauchende Atem, das Klicken der Krallen gegen die eiserne Sprosse, der dumpfe Rückfall des schweren Körpers auf den Grund.
    Er schätzte den Abstand, hielt ihn für noch zu groß, um die Waffe, die er nur einmal benutzen konnte, mit halbwegs gesichertem Erfolg einzusetzen. Er stieg hinab, eine Stufe, noch eine. Sofort wurden die Sprünge noch wilder, wurde das Fauchen noch wütender. Der Kopf des geifernden Tieres kam nun so nah heran, daß er Schaumspritzer auf seiner Wade spürte. Er stand wieder nur auf einem Bein, gab sich mit Hilfe des anderen Halt, beugte sich vor, hob das Gerät ein Stück in die Höhe, wartete aber noch, ließ drei-, viermal den Schatten empor schnellen, um aus der mehrfachen Beobachtung des Vorgangs größere Zielsicherheit zu gewinnen. Und dann, während das Tier zum nächsten Sprung ansetzte, warf er mit aller Kraft, derer er in seiner beschwerlichen Position fähig war, das Gerät nach unten. Er hörte den Aufprall, hörte das Knacken – es klang wie brechendes Geäst – und dann, überraschend kurz nur, das Verröcheln.
    Er sprang die Stufen hinab, trat auf den Hund, wich zur Seite aus, kam nicht mehr dazu, das Gerät zu bergen, denn gerade hatte er das Moos betreten, da ertönte der Ruf: » Capitán! Capitán! « Selbst wenn ihm nicht bekannt gewesen wäre, daß die Spanier gern militärische Dienstgrade als Hundenamen verwenden, hätte er gewußt, wem dieser herrische Ruf galt. Mit ein paar schnellen Schritten war er um den Turm herum, lief auf den Weg. Noch einmal hörte er hinter sich den Ruf » Capitán! « Doch da

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