1980 Die Ibiza-Spur (SM)
weißt du, wo es passiert ist und wer es getan hat. Dieses Wissen ist aber nur von Nutzen, wenn du frei bist und es weitergeben kannst. In Hamburg und auf dem Flug hierher ließen sich die Dinge alle ganz gut erörtern und planen. Das Pärchen, das sich dadurch schützt, daß es ein Pärchen ist. Jetzt glaube ich vielmehr: Wer uns zwei in der Nacht da draußen am Stollen antrifft, läßt sich nichts vormachen. Versteh mich richtig, ich will deinen Part nicht herunterspielen. Im Gegenteil. Deine Unentbehrlichkeit ist noch viel deutlicher geworden, nur eben auf eine ganz andere Weise. Du bist nicht mehr meine Tarnkappe, sondern mein Anker, bist – aber nur, weil du draußen bleibst – mein Ariadnefaden, ohne den ich verloren wäre.«
Sie blieb stehen, lächelte ihn an. »Ich gebe mich geschlagen. Dabei könnte ich nicht einmal genau sagen, ob du mich wirklich überzeugt oder nur eingewickelt hast. Du hast so eine ganz besondere Art, einem deine Meinung plausibel zu machen. Aber ich möchte doch noch einmal fragen. Was soll geschehen, wenn auch im Stollen nichts zu finden ist?«
Klaus stand auf. »Dann bleibt nur eins«, antwortete er, »Hentschel unter Druck setzen. Wie, das kann ich noch nicht sagen. Vielleicht wirklich von vornherein ganz massiv. Also mit der Waffe. Ich lasse das noch offen, solange ich den Stollen nicht gesehen habe. Du, ich glaube, die Wanne läuft gleich über.« Er roch an seinen Händen. »Meine Herkunft läßt sich nicht verleugnen, ich komme aus der Kloake.«
»Gleich wirst du nach frischen Äpfeln riechen«, antwortete sie. »Ich hab fast die halbe Tube hineingetan.«
»Danke.«
Er ging ins Badezimmer, brauchte lange. Als er wieder ins Zimmer kam, trat sie auf ihn zu, schob die Revers seines Bademantels auseinander, legte ihr Gesicht auf seine Brust und sagte: »Ah, Äpfel! Die Werbeleute würden jetzt sicher schwärmen von der wilden Frische der grünen Früchte. Ich finde, es ist auch ein Geruch aus der Kindheit.«
Er zog sie an sich. »Wenn du hineinbeißen möchtest …?«
»Zwei Blessuren sind genug, da müssen nicht auch noch meine Zähne her.«
»So ein langes Bad macht müde«, sagte er, »darum will ich jetzt mindestens eine halbe Stunde lang mit dir im Meer schwimmen.«
Sie zogen die Gummischuhe an, verließen das Haus. Er nahm sie an die Hand, zog sie hinter sich her über den Felsen. Auf dem kleinen Plateau legten sie ihre Bademäntel ab, traten nackt ans Wasser. Er sprang hinein, wartete das Zurückfluten der Welle ab und hielt ihr beide Arme entgegen. Sie glitt zu ihm hinab, und in der Umarmung ließen sie sich hinunter in die Tiefe. Sie stießen auf den Grund, und eine Sekunde lang drängten sie ihre kühlen Körper eng aneinander. Dann tauchten sie, immer noch in der Umarmung, wieder auf, lösten sich voneinander und schwammen ein weites Stück hinaus.
Als sie an den Uferfelsen zurückgekehrt waren, kletterte er aus dem Wasser, hielt ihr beide Hände hin, zog sie behutsam hinauf. Er breitete seinen Bademantel auf dem Plateau aus, legte ihren dazu, aber nicht daneben, sondern darauf.
»Da ist Platz für zwei«, sagte er. Als sie sich ausgestreckt hatten, war es wieder wie vorher in der Tiefe, ihre Körper, die naß und kühl waren, drängten sich gegeneinander. Und dann war es für ihn, nach den Schrecknissen dieser Nacht, fast wie ein Lohn, diese Frau zu erringen, die er im stillen schon lange begehrt hatte.
Und sie? In dieser Nacht, neben diesem Mann, in dem Bett aus Fels und Dunkelheit, hatte auch sie keine Bedenken.
Es war schon Morgen, als sie sich erhoben, um ins Haus zurückzukehren. Wie große Netze aus Tüll hingen die Nebelschwaden zwischen den Felswänden, und im Osten, hinter den Bergen, kam das Sonnenrot herauf.
Sie gingen ins Haus, duschten heiß, und als Klaus in sein Zimmer trat, bemerkte er, daß Christiane nicht nur gelesen und übers Meer gesehen, sondern noch etwas anderes getan hatte, denn erst jetzt stellte er fest. Sein Bett war nicht mehr da. Also hat sie sich nach mir gesehnt, dachte er, und es machte ihn froh. Er ging hinüber zu ihr und sagte: »Da hatten wir also beide zur gleichen Zeit die gleiche gute Idee.«
XX.
Im CASTILLO gab es ein großes Zimmer, das für die Hotelgäste nicht zugänglich war. Es befand sich im obersten Stockwerk des Gebäudes. Durch ein mehrfach unterteiltes Fenster, das kaum einen Meter hoch, aber etwa sieben Meter breit war, konnte man, über den Stadtteil Sa Penya hinweg, auf die Bucht und die sie flankierende Isla
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