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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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leicht, auf die Fragen der Nachbarn von einem Sohn zu sprechen, der weggegangen ist. Auch die Freunde, die ich ja reichlich habe, sind nicht mehr dieselben, weil ich entdecke, daß ich ihnen die Sache mit Victor nicht erzählen kann. Oder auch, nicht erzählen will. Mir ist beinahe so, als verriete ich ihn dann.«
    »Und wie steht es mit Christiane?« fragte er. »Ihr hast du doch davon erzählt, oder hat Victor auch ihr geschrieben?«
    »Nein, geschrieben hat er ihr nicht. Sie war neulich hier, und ihr konnte ich natürlich nichts verschweigen. Aber sie kommt selten. Sie sagt, seit der Scheidung sei sie richtig aufgelebt. Na ja, es war ja auch eine verrückte Ehe.«
    »Die verrückten Ehen sind nicht immer die schlechtesten, jedenfalls nicht die langweiligsten. Wie denkt sie denn über die Geschichte?«
    »Sie begreift sie genausowenig wie wir. Sie traut Victor zwar eine ganze Menge mehr zu als ich, was spontane und unorthodoxe Entschlüsse anbetrifft, aber ein Schritt wie dieser, sagt auch sie, entspricht nicht seiner Art. Mein Gott, Klaus, der Tag, an dem der Brief kam! Du weißt ja, wie ich immer bin mit eurer Post. Sogar der Briefträger macht das schon mit, sagt erst mal seinen Spruch auf: ›Heute mal wieder ein Festtag, Frau Hemmerich!‹ Er hat dann schon die Marken gesehen, und ich bin sicher, er kennt mittlerweile deine Schrift und Victors Maschine und sogar die Art, wie ihr die Adresse anordnet, Victor mehr unten rechts, du mehr in der Mitte. An dem Tag also winkte er schon an der Pforte mit dem Brief. Ich ging ihm entgegen und dann wieder ins Haus, setzte mich hin, hier an diesen Platz, schenkte mir ein Glas Wein ein und zündete mir eine Zigarette an. Zelebrierte das Öffnen. Spanische Marken. Die Adresse, ein Hotel auf Ibiza. Ich nahm den Bogen heraus, faltete ihn auseinander. Fing an zu lesen. Und fror plötzlich. Mir wurde immer kälter, und dann saß ich schließlich starr da. Wie ein Stein. Las aber zu Ende. Und konnte nicht begreifen. Ich glaubte, ihn in jedem Satz, in jeder Wendung wiederzuerkennen, und hatte doch am Schluß das Gefühl, da schreibt mir ein Fremder. Und bis heute bin ich dieses Gefühl nicht losgeworden. Er ist es, der mir das alles mitteilt, aber irgend jemand oder irgend etwas hat ihn dazu verführt, nicht mehr er selber zu sein. Immer wieder frage ich mich, was geschehen sein kann, komme auf die abwegigsten Ideen. Könnte er zum Beispiel durch Drogen seine Persönlichkeit so verändert haben, daß er von uns nichts mehr wissen will? Wäre das möglich?«
    »So etwas gibt es. Der Betreffende ändert sich total und damit natürlich auch seine Bindung an andere und sein Verhalten ihnen gegenüber. Nur, Victor ist nicht der Mann, der Drogen nimmt. Dazu ist er einfach zu gescheit und liebt zu sehr die gesunde Version des Lebens. Ich hab’ mir auch alle möglichen und sogar die absonderlichsten Erklärungen ausgedacht, aber es gibt keine, die mich überzeugt. Ich will gar nicht mal ausschließen, daß ein Mensch, auch Victor, sich von Grund auf wandeln kann. Er ist vierzig, und dieses Alter gilt ja wohl als der Beginn einer kritischen Phase bei uns Männern. Und heute, wo die Sache einen Namen hat und dauernd über die möglichen Ursachen geredet und geschrieben wird, sind viel mehr Leute davon betroffen als früher. Fast gehört es zum guten Ton, plötzlich alles in Frage zu stellen, sich selbst eingeschlossen.«
    »Also auch uns? Die Mutter? Den Bruder?«
»Ja, das wäre schon logisch. Aber selbst in einem solchen Fall würden meine Zweifel bleiben. Victor ist ein Mensch, oder zumindest war er es bislang, der immer die Position des anderen mit einbezogen hat. Okay, wenn er sich total verändert hat, dann bezieht er uns jetzt natürlich nicht mehr mit ein. Aber seine Verbindung mit uns war bombenfest, die kann doch nicht von heute auf morgen mit über Bord gehen! Es ist zwischen uns doch immer ehrlich zugegangen! Das ist überhaupt das Entscheidende, die Ehrlichkeit. Es gibt die anderen Fälle, daß Bindungen aufgegeben werden, weil sie als unwahrhaftig durchschaut worden sind, als nur konventionell oder traditionell. Da passiert’s schon, daß einer sich sagt: Warum soll ich weiterlügen, wenn die Liebe nicht da ist, nie da war? Aber wir drei sind doch eine aufeinander eingeschworene Gemeinschaft, in der niemals einer den anderen hintergangen, niemals einer den anderen beneidet, sondern immer nur jeder sich aufrichtig mit dem anderen gefreut und ebenso aufrichtig mit ihm

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