1981 - Richard
doch sehr langsam. Es war auch nicht notwendig, bei nur zwölf angebotenen Objekten. Bei einer Viehauktion wäre das Ende schon nach zehn Minuten gekommen, so dauerte alles fast anderthalb Stunden. Konrad Schumann holte immer weit aus, wenn er über das nächste Bild berichtete. Alle verkauften Gemälde erhielten kleine Zettel mit den Namen der erfolgreichen Bieter und wurden nach der Versteigerung tatsächlich noch auf ihren Staffeleien belassen. Edmund Linz und andere Interessierte nutzten noch einmal die Gelegenheit, sich die Kopien anzusehen. Es waren aber wesentlich weniger Leute, als noch vor der Auktion, so dass diesmal genug Zeit blieb, in Ruhe an der kleinen Galerie vorbei zu gehen und sich erneut alles anzusehen. Konrad Schumann selbst hatte den Saal bereits verlassen. Edmund Linz stand wieder vor dem van Gogh und sah sich das gemalte Zola-Buch an, als die Tochter der Gastgeber an seine Seite trat.
Sie haben nichts gekauft?«, fragte sie.
Edmund Linz drehte sich zu ihr um und sah sie überrascht an. Er schüttelte den Kopf. »Nein, heute nicht, aber die Bilder sind wirklich von sehr guter Qualität, so wie ich es beurteilen würde. Glauben sie, dass die Gemälde nicht vielleicht von Herrn Schumann selbst stammen könnten?«
»Nein, ich weiß es von ihm, aber er spricht natürlich nicht so gerne über das Thema«, antwortete sie.
»Bietet denn Professor Schumann seine Bilder nur auf solchen Veranstaltungen an?«, fragte Edmund Linz und sah die junge Frau genau an.
Sie nickte. »Soviel ich weiß, ja. Wir haben die Veranstaltung quasi übernommen. Im ersten Jahr hat eine Freundin meiner Mutter diesen Abend veranstaltet. Herr Schumann hat natürlich keine Malfabrik. Er bekommt über das Jahr immer nur sehr wenige neue Werke.«
»Woher stammt er, lebt er in München?«, fragte Edmund Linz.
»Ja, ich glaube schon.« Dann stutzte sie und begann etwas in ihrer Handtasche zu suchen. Sie zog schließlich einen kleinen Zettel heraus und hielt ihn vor sich hin. »Vor ein paar Tagen hat er hier angerufen. Meine Eltern waren nicht zu Hause. Er gab mir seine Telefonnummer, weil mein Vater ihn zurückrufen sollte.«
Sie zeigte Edmund Linz die Nummer kurz. Es war eine Telefonnummer mit Münchner Stadtvorwahl. Er sah genau hin und prägte sich die sechs Zahlen dahinter ein. Sie steckte den Zettel wieder fort. Dann wurden sie von einem anderen Gast gestört, der das Mädchen anscheinend gut kannte. Edmund Linz nutzte die Gelegenheit, sich zurückzuziehen. Er setzte sich noch kurz auf einen der Stühle. Mit einem Stift und einem kleinen Block aus seinem Jackett befreite er sein Gedächtnis von der Telefonnummer, die er sich gemerkt hatte. Er blickte noch einige Zeit auf die Zahlen, dann erhob er sich und ging aus dem Saal in die Halle. Hier stand der größte Teil der Gäste und unterhielt sich. Die Kellner hatten wieder Getränke und noch einen Imbiss gereicht. Edmund Linz sah sich um. Er suchte nach Konrad Schumann, sah ihn aber nicht. An der Wand entlang ging er in Richtung Ausgang. An der Garderobe ließ er sich seinen Mantel geben und verließ die Villa. Er folgte mit schnellen Schritten der Einfahrt bis hin zum Tor. Er erreichte seinen Wagen, stieg ein und fuhr Richtung München, nach Hause. Während der Fahrt dachte er weiter nach. Die Beweise, dass der Gauguin echt war, schienen überwältigend zu sein. Es würde nicht mehr lange dauern und das Kunst- und Auktionshaus Blammer würde den neuen Gauguin feiern und die Beweise anführen und die Fachwelt würde bestätigen, dass das Bildnis des kleinen Mädchens mit dem Sonnenhut eine Sensation ist, die Sensation des Jahres. Die ganze Welt, die interessierte Welt würde von dem Bild erfahren. Zeitschriften und Zeitungen würden davon berichten. Die Geschichte des Bildes, die Geschichte von Julie Jasoline, ihrem Vater, ihrer Mutter und auch ihrer Schwester würde erzählt werden. Und dann, die Versteigerung. Das Bild war bis zur Auktion mit zehn Millionen versichert, zehn Millionen oder mehr könnte es schließlich einbringen. Noch vor Jahren hätte Edmund Linz alles Geld gegeben, um ein solches Bild zu besitzen, doch heute, heute brauchte er das Geld selbst, es konnte ihn retten, es musste ihn jetzt retten. Er lächelte bei diesem Gedanken vor sich hin, während er den Wagen über die Landstraße steuerte. Dann dachte er wieder an Konrad Schumann. Er sah den alten Mann vor sich, wie er von der Sensation erfuhr, wie er sich das Foto des Ölgemäldes in einer Zeitung
Weitere Kostenlose Bücher