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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Mal zurück. Die Signatur hatte er sich bis zum Schluss aufgehoben. Mit winzigen Bewegungen scannte er jeden Millimeter des Namenszuges und des Bildtitels ab. Schließlich richtete er sich wieder auf, fasste sich in den Rücken und streckte sich. Er drehte sich zum Tisch um. Neben dem Holzkoffer, in dem das Ölgemälde transportiert wurde, lag noch das Tuch. Edmund Linz schritt eilig auf den Tisch zu, griff es sich und kehrte damit zu der Staffelei zurück. Er nahm das Ölgemälde auf und übergab es wortlos an Konrad Schumann, der es vorsichtig entgegennahm. Dann hängte Edmund Linz das Tuch über das Gestänge der Staffelei. Er ließ sich das Ölgemälde zurückgeben und legte es mit der Bildseite nach unten auf die Streben der Staffelei. Die Auflagefläche war jetzt mit dem weichen Tuch geschützt. Die Lupe hatte er in die Hosentasche gesteckt. Er holte sie wieder hervor und begann sich die Rückseite des Ölgemäldes ebenso genau anzusehen, wie zuvor die Vorderseite. Die Flecken mussten von Feuchtigkeit stammen. Es hatten sich feine Ränder darum gebildet. Einige Punkte stammten aber auch von Farbresten, die irgendwie von hinten an die Leinwand gekommen waren. An der Leinwand war soweit nichts auszusetzen. Es war ein Baumwollgewebe, nicht sehr fein gewebt. Die Lupe wanderte weiter zum Rand, zum Holzrahmen. Er hielt die Lupe auf das Holz. Er wusste nicht, was er hier zu sehen erwartete, was ihm Anhaltspunkte geben sollte. Die einfachen Hinweise verstand er, wie zum Beispiel, dass eine Leinwand nicht synthetisch und dass das Holz des Rahmens nicht mehr frisch sein durfte. Für alles andere war er kein Experte. Er glaubte aber, schon genug alte Meisterwerke, alte Ölgemälde gesehen zu haben, um zu entscheiden, dass das Bild hier vor ihm, durchaus dazugehören könnte. Er steckte die Lupe wieder in die Hosentasche, um das Ölgemälde aufzunehmen. Konrad Schumann verstand sofort. Er nahm das Tuch und richtete das Gestell wieder auf. Edmund Linz drehte das Bild und setzte es wieder in die Staffelei. Er trat einige Schritte zurück und sah noch einmal prüfend auf das Ölgemälde.
    »Was wollen sie oder besser ihr Auftraggeber für den Gauguin haben? Sie hatten mir den Preis noch nicht genannt, glaube ich.« Edmund Linz Stimme klang sachlich, als ginge es nur um ein reines Geschäft und nicht um die Emotionen, die sich jetzt in ihm abspielten.
    »Entschuldigen sie, aber ich habe Ihnen den Preis mitgeteilt und sie haben Glück, dass sie noch nicht mit anderen Interessenten um das Bild bieten müssen. Wir möchten das Geschäft so diskret wie möglich abwickeln. Das heißt aber nicht, dass es keine anderen Interessenten gibt.«
    »Stimmt, ich erinnere mich natürlich, sie haben mir den Preis genannt.«
    Edmund Linz musste sich entscheiden. Es war viel Geld. Aber es war ein Preis, den er durchaus bereit war zu zahlen und vor allem er besaß dieses Geld, anders als heute. Damals war es für ihn kein Problem. Er überlegte dennoch. Ein Gauguin, dachte er. Die Gelegenheit war günstig. Er sah noch einmal zu dem Ölgemälde. Konrad Schumann folgte seinem Blick. Edmund Linz zückte die Lupe erneut aus seiner Hosentasche. Er ging dichter an das Gemälde heran. Fast zögernd richtete er die Lupe auf das Bild, zunächst auf die Augen des kleinen Mädchens, dann noch einmal auf die Signatur. Es war die einzige Chance, ein solches Bild für relativ wenig Geld zu bekommen.
    »Warten sie bitte hier«, sagte er dann höflich.
    Er hatte eine Entscheidung getroffen. Er verließ den Raum durch eine zweite Tür, die in sein Arbeitszimmer führte. Er zog die Tür hinter sich zu und ließ Konrad Schumann allein zurück. Der Safe war schnell entriegelt. Es waren vier Packen mit Geldscheinen, die er sich bereit gelegt hatte. Sie waren glatt wie gebügelt, vier saubere Pakete. Er konnte sie alle mit einer Hand greifen. Er verschloss den Safe wieder und kehrte zu seinem Gast zurück. Konrad Schumann hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert. Er sah seriös und zugleich unberechenbar aus. Er sah das Geld in Edmund Linz Hand, aber er verzog noch immer keine Miene, als wäre es nichts, als löse das viele Geld keine Emotionen aus. Wie hoch würde seine Provision sein, zehn Prozent, zwanzig. Vielleicht war es keine Summe, die ihn zum Jubeln brachte. Edmund Linz erreichte Konrad Schumann und sah ihm ins Gesicht. Er lächelte und erzwang damit auch von seinem Gegenüber ein Lächeln. Bevor Edmund Linz

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