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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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hätte den Gauguin ohne Herkunftsnachweis nicht angefasst, aber er selbst war damals so begierig auf das Bild. Er wollte es haben, um es zu besitzen. Damals hatten ihm die Beweise gereicht, die Konrad Schumann ihm vorlegte. Er hatte Simon Halter auch nicht die Wahrheit gesagt. Er hatte gar nicht sofort eine eigene Materialanalyse gemacht. Natürlich hatte er Laboruntersuchungen durchgeführt, aber erst ein gutes halbes Jahr später, nachdem er das Bild schon gekauft und bezahlt hatte. Er musste zugeben, dass er beim Kauf des Bildes der Erste sein wollte und später hatte er immer Angst, dass seine Analysen eine Fälschung entlarven würden und sein Traum dann vorbei war, aber so kam es nicht. Die Materialanalyse zeigte nichts Verbotenes auf. Die Farben und die Leinwand waren fast sicher authentisch und es gab das Gutachten eines Kunsthistorikers namens Professor Lehner, der ebenfalls von der Echtheit des Bildes überzeugt war. Auch Simon Halter hatte all diese Untersuchungen noch einmal durchführen lassen und war zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Schwieriger war es da schon mit dem Herkunftsnachweis, aber auch hier gab es mittlerweile positive Ergebnisse, die die Echtheit des Gauguins belegten. Aber warum verkauft Konrad Schumann heute Kopien, also genau genommen Fälschungen? Diese Frage durchzuckte kurz seine Gedanken, dann erinnerte er sich wieder, wie die Verhandlungen an jenem Abend vor ein paar Jahren in die entscheidende Phase gingen.
    »In Ordnung, wenn es keinen Herkunftsnachweis gibt, dann zeigen sie mir wenigstens die Expertise, die sie haben«, sagte Edmund Linz zu Schumann.
    Konrad Schumann ging hinüber zum Tisch und suchte etwas in dem Holzkoffer. Er kehrte mit einem Umschlag zurück und übergab ihn Edmund Linz. Darin befand sich der Bericht von Professor Lehner, emeritierter Kunsthistoriker der Universität Tübingen , zuletzt wohnhaft in Augsburg . Edmund Linz hatte noch nie etwas von dem Mann gehört, was nichts bedeuten mochte. Professor Lehner schrieb Eingangs, dass ihm das Werk selbst nicht bekannt sei, ordnete es dann aber einer Epoche zu, die mit der zweiten Südseereise Gauguins zusammenfiel. Edmund Linz überlegte.
    »Und sie haben keinen Beleg, dass das Bild schon einmal in einer Ausstellung präsentiert wurde?«, fragte er noch einmal.
    »Ich sagte doch, es gibt keinen Herkunftsnachweis, meines Wissens wurde das Bild niemals ausgestellt. Es war wohl immer in Privatbesitz und der bisherige Eigentümer hatte kein Interesse, großartig bekannt zu machen, dass er einen Gauguin besitzt.«
    Edmund Linz betrachtete sich wieder die Signatur. Neben dem Schriftzug Paul Gauguin war die Jahreszahl 1902 eingetragen. Darunter und noch etwas weiter nach links versetzt gab es einen Bildtitel. Edmund Linz drehte sich zu Konrad Schumann um und sah ihn an.
    »Gauguin hat um 1900 in der Südsee gelebt«, sagte er. »Das Mädchen ist aber eindeutig eine Europäerin. Dem Titel nach heißt sie Julie , »Julie des Bois«. Ein ungewöhnlicher Titel, ein ungewöhnliches Motiv für Gauguins Südseephase, meinen sie nicht? Er hat doch damals eher Südseefrauen gemalt, wenn ich richtig informiert bin.«
    Konrad Schumann sah seinem Gastgeber gelassen ins Gesicht. »Ich kenne mich da nicht aus. Wir können uns ein zweites Mal treffen und sie bringen dann jemanden mit, der all diese Fragen beantworten kann und der vielleicht auch Proben für eine Materialanalyse nimmt. Ob ich dann allerdings das Ölgemälde noch zum Kauf anbiete, oder ob es noch zu haben ist, wenn das Labor seinen Bericht fertig hat, kann ich Ihnen leider nicht garantieren.«
    »Warum bietet ihr Auftraggeber das Bild nicht einfach einem Auktionshaus an? Bei einer Versteigerung kann er doch bestimmt einen höheren Preis erzielen?«, fragte Edmund Linz und achtete auf Konrad Schumanns Reaktion.
    »Es gibt sicherlich Gründe dafür, die sie sich bestimmt denken können«, antwortete Konrad Schumann immer noch emotionslos.
    Edmund Linz sah ihn weiterhin an. Dann drehte er sich mit einer hastigen Bewegung weg, ging zu einer der Kommoden und holte aus einer quietschenden Schublade ein Vergrößerungsglas heraus. Er kehrte zur Staffelei zurück und zog die beiden vorderen Füße nach vorne, so dass das Ölgemälde jetzt flacher lag. Edmund Linz beugte sich wieder zur Bildoberfläche herunter und richtete die Lupe aus. Er inspizierte beinahe jeden Quadratzentimeter des Bildes. An einigen Stellen verharrte er länger an andere kehrte er ein zweites oder drittes

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