1981 - Richard
rechnete er mit einer gut anderthalbtägigen Verzögerung, also mehr als ausreichend für seine Zwecke. Er hatte seine Töpfe in der Montagegrube der Werkstatt aufgebaut. Neben jeden Topf hatte er eine der Analoguhren gestellt, aus der er die Batterie herausgenommen hatte. Er hatte sich für jede Versuchsanordnung eine Batteriehalterung gebaut. Die Analoguhren wurden über Drähte mit ihrer Batterie verbunden. Er hatte immer ein Stück der Drähte abisoliert und mit einer Zange langgezogen, so dass die jeweilige Stelle erheblich dünner wurde. Diesen Teil des Drahtes führte er dann über den Boden des Kochtopfes, dort, wo die Reaktion stattfinden würde. Es sah eigenartig aus, zumal in den Kochtöpfen anscheinend nur ein großes Stück Leinwand lag und sonst nichts. Sobald die Reaktion stattfand, würden die ausgelegten Drähte durchtrennt. Er hatte es ausprobiert. Die Batterieversorgung würde unterbrochen werden und die Uhr zum Zeitpunkt der Reaktion stehenbleiben. Er hatte alle Uhren auf null und die Datumsanzeige auf eins gestellt. In der Montagegrube und in ihren Töpfen würden die Reaktionen keinen weiteren Schaden anrichten. Er hatte die Grube auch wieder mit den Bohlen abgedeckt.
Gut vierundzwanzig Stunden nachdem Start des Experiments kehrte er am Mittwochmorgen in die Werkstatt zurück. Er kontrollierte sofort seine Versuchsanordnung. Zwei der Drähte waren noch intakt, der dritte wie erwartet durchtrennt. Die Analoguhr zeigte 12:34 Uhr an, die Mischung hatte also nach etwas mehr als zwölf Stunden reagiert. Er hielt sich nicht lange auf, sondern fuhr gleich wieder nach Hause.
Er wartete bis zum Abend. Er kam auf dem Abrißgrundstück an, als es bereits dämmerte. Er ging wieder durch den Seiteneingang in die Werkstatt. Er brauchte seine Taschenlampe noch nicht. Erst als er an der Montagegrube war, schaltete er eine der Stehlampen an, die er sich die Tage zuvor mitgebracht hatte. Er begann die Blockbohlen abzuheben. Es roch noch sehr stark, obwohl er zur Belüftung zwei Bohlen fortgelassen hatte. Die letzte Reaktion konnte noch nicht lange ausgelöst worden sein. Er stieg die Betonstufen in die Montagegrube hinunter und kontrollierte die Versuchsanordnung. Die beiden verbliebenen Drähte waren jetzt ebenfalls durchtrennt. Er las die Uhren ab, 4:55 Uhr und 9:13 Uhr. Auf beiden wurde Tag zwei angezeigt. Er rechnete. Es waren einunddreißig Stunden und fünfundfünfzig Minuten bei der einen Mischung und sechsunddreißig Stunden und dreizehn Minuten bei der anderen. Es war ideal gelaufen. Er brauchte gar nichts mehr zu verändern. Die kürzere der beiden letzten Reaktionen passte hervorragend. Das Prinzip funktionierte, jetzt musste er noch eine Generalprobe durchführen. Es würde aber mit der Zeit, die er noch hatte, knapp werden. Die Generalprobe würde erst am Freitagmorgen beendet sein, bereits am Freitagabend musste er aber seine Manipulation vornehmen, wenn alles klappen sollte. Er wollte gerade aus der Montagegrube steigen, als er Schritte hörte. Er verharrte kurz.
»Hallo, ist da wer«, rief plötzlich eine krächzende Stimme.
Im selben Moment wurde die gesamte Werkstattbeleuchtung eingeschaltet. Die Halogenscheinwerfer hatten nicht sofort die volle Helligkeit. Edmund Linz schluckte und stieg dann aber die Stufen herauf.
»Guten Abend«, sagte er und winkte, als er mit dem Oberkörper in Fußbodenhöhe war. »Nicht schießen, ich bin harmlos.« Er lachte und stieg ganz aus der Grube heraus.
Der Mann an der Seiteneingangstür hatte graues, fettiges Haar und war deutlich über sechzig. Er blinzelte, weil seine Augen sich noch nicht an die stetig heller werdenden Deckenlampen gewöhnt hatten.
»Sind sie der mit dem Auto?«, fragte der Alte. »Der Kleine hat mir von ihnen erzählt, aber er hat gesagt, sie kommen nur am Tage.«
Edmund Linz entspannte sich und nickte. »Tut mir leid, sie erschreckt zu haben. Ich habe heute etwas in der Grube liegenlassen, das ich mir schnell holen wollte.« Er zögerte. »Und wer sind sie?«
»Ich mache die Nachtschicht«, sagte der alte. »Aber zum Glück nur noch zwei Wochen, dann wird der ganze Kram hier abgerissen. Die Container sind ja schon weg. Ist beschissen einsam hier in der Nacht, wenigstens wird es spät dunkel und früh hell.«
Edmund Linz atmete langsam aus. »Ich bin auch gleich wieder weg, ich will nur schnell die Grube wieder abdecken.« Er griff sich eine der Bohlen.
»Haben sie was da drin?«, fragte der Alte.
Edmund Linz wollte die Bohle
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