1981 - Richard
südöstlich folgte das berühmte Hiva Oa mit dem Ort Atuona. Hier lagen die Gräber des Malers Paul Gauguin und des belgischen Chansoniers Jacques Brel. Atuona war auch das erste Ziel, das die Maschine der Tahiti Nui anflog. Der Aufenthalt sollte keine zehn Minuten dauern. Passagiere stiegen weder ein noch aus, lediglich die Fracht wurde um zwei Kisten erleichtert. Florence war sitzen geblieben und beobachtete die Leute auf dem Flugfeld. Sie atmete die warme, feuchte Luft ein, die durch die offene Kabinentür in das Innere des Flugzeugs strömte. Es war ihre Luft, ihr Zuhause. Wenig später verschloss der Pilot die Kabinentür wieder. Das Flugzeug holperte über die Piste und hob schließlich ab. Mit einer Linkskurve ging es wieder hinaus auf das Meer.
Die südliche Marquesas-Gruppe, zu der auch Hiva Oa gehörte, umfasste insgesamt sechs Inseln. Noch weiter südöstlich lagen Ua Pou, Ua Huka und schließlich Nuku Hiva, die bereits zur nördlichen Marquesas-Gruppe zählten. Neben Hiva Oa und Nuku Hiva besaßen auch Ua Pou und Ua Huka einen Flugplatz für reguläre Flugzeuge. Hubschrauber konnten dagegen überall auf den Marquesas eingesetzt werden. Am nördlichsten lagen die sehr kleinen Inseln Hatu Iti, Hatutaa, Motu One und Eiao, die am Horizont kaum auszumachen waren, obwohl die Maschine schon dicht an Nuku Hiva herangekommen war. Von diesen vieren wurde nur noch Eiao von wenigen Hundert Menschen bewohnt. Das Flugzeug befand sich bereits im Landeanflug und brauchte noch etwa zehn Minuten, bis es nach einer leichten Rechtskurve auf die Landebahn zusteuerte. Die gesamte Flugzeit hindurch war es sehr laut, da die Laufgeräusche der Propeller deutlich in die Kabine schallten. Florence war daher sehr froh, als endlich die beiden Triebwerke ausliefen und es stiller wurde. Ein kleiner Flughafenbus fuhr auf das Rollfeld und kam neben der Maschine zum stehen. Ihm folgte ein LKW, der sich um die Fracht kümmern sollte. Die Passagiere stiegen von der Kabine in den Bus um. Die Fahrt ging zu einem Flachbau, der als An- und Abflughalle des Flugplatzes bei Hinahaa Papa diente. Neben dem Eingang stand ein Jeep. Florence erkannte Maurice Gall, der an der Motorhaube lehnte und zu der Maschine hinüber sah. Sie hatte ihn gestern Abend vom Hafen in Papeete aus angerufen. Maurice war der Pilot des Krankenhaushubschraubers. Der Hubschrauber beförderte fast jeden Tag auch Fracht, die für das Krankenhaus bestimmt war, und wurde nicht allein für Krankentransporte eingesetzt. Maurice war ein ehemaliger Militärpilot, wie sicherlich fast alle Hubschrauberpiloten, die auf den Inseln arbeiteten. Er war bereits fast fünfzig, klein, dafür aber drahtig und muskulös. Florence mochte ihn. Sie hatten so manche gemeinsame Tour im Hubschrauber über die Inseln gemacht. Maurice lebte schon seit zwanzig Jahren auf Nuku Hiva. Durch ihn hatte Florence ihre Marquesas aus der Luft kennengelernt. Maurice hatte sich einen Jeep ausgeliehen, wahrscheinlich von jemandem, den er auf dem Flugplatz kannte. Der Hubschrauberlandeplatz war etwa fünfhundert Meter vom Flughafengebäude entfernt. Florence hatte ihm gestern schon ihre beiden schweren Koffer angekündigt. Der Bus hielt einige Meter von dem Jeep entfernt. Bevor die Türen aufgingen, stand Maurice schon bereit, sie zu begrüßen.
»Na mein Mädchen, wieder sicher gelandet?«, sagte er strahlend.
Sie umarmten sich und Florence küsste ihn auf die Wangen.
»Endlich«, sagte sie. »Es ist zwar toll, etwas von der Welt zusehen, aber der Weg dorthin und wieder zurück ist einfach zu weit.«
»Ich habe jedes Mal Angst, wenn du nach Paris fährst, dass du nicht wiederkommst«, meinte Maurice spöttisch. Er wusste genau, dass dies wahrscheinlich nie geschehen würde.
»Ich glaube das passiert nicht mehr, nicht mehr in diesem Leben«, bestätigte Florence. Sie lachte. »Außerdem habe ich dort ja keinen Privatjet.«
»Oh, Madame, das Lufttaxi steht bereit. Wir brauchen nur noch eure Koffer zu verladen«, scherzte Maurice. »Deine Tasche kannst du mir schon geben.«
Maurice brachte zuerst die Tasche zum Jeep und stellte sie auf den Beifahrersitz. Florence drehte sich um. Der LKW war mittlerweile ebenfalls am Flughafengebäude angekommen. Er hatte nur einen Teil der Fracht aus der Maschine geladen, um zunächst das Gepäck der Passagiere zu bringen. Die Gepäckausgabe erfolgte nicht über ein Transportband, sondern direkt vor dem Flughafengebäude. Die Passagiere stellten sich in eine Schlange und
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