1981 - Richard
auch. Jetzt haben wir ausgeschlossen, dass das Bild jemals öffentlich gezeigt wurde oder sonst wie publik geworden ist und das passt wiederum sehr gut zu der Geschichte.«
»Zu welcher Geschichte?«, fragte Heinz Kühler überrascht. »Haben sie noch weitere Informationen?«
Simon schüttelte den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint. Ich habe meine eigenen Rückschlüsse gezogen. Wenn ein solches Meisterwerk weder bei Tate noch in den Historic Catalogues der National Art Library zu finden ist, muss es die ganze Zeit in Privatbesitz gewesen sein und zwar nicht bei einem Sammler, sondern ganz und gar privat.«
»Aber sie glauben doch nicht an die Geschichte vom Dachboden oder vom Kellergewölbe«, unterbrach ihn Heinz Kühler. »Und sie glauben doch auch nicht daran, dass der Gauguin dort unentdeckt geblieben ist, all die Jahrzehnte, bis Herr Linz ihn schließlich gekauft hat.«
»Natürlich habe ich meine Theorie«, erklärte Simon, »und nachdem wir in den herkömmlichen Quellen nicht fündig geworden sind, sollten wir vielleicht dieser Theorie folgen.«
Heinz Kühler nickte. »Dann lassen sie mal hören.«
»Also«, begann Simon, »ich denke, es gab nicht allzu viele Franzosen auf den Marquesas, Kolonialbeamte und eben auch die Angehörigen des Militärs, zu denen ja auch der Fotograf, dieser Victor Jasoline gehörte. Sicherlich hatten auch viele der Beamten und Offiziere ihre Familien dabei. Die Kleine gehörte mit Bestimmtheit in eine dieser Familien. Das Gemälde und die Fotografie sind ja etwa zur gleichen Zeit entstanden, Gauguin hat mit 1902 signiert und das Foto stammt von 1904, da liegt nicht viel dazwischen. Dieser Victor Jasoline hat vielleicht sogar von dem Ölgemälde gewusst und er hat bestimmt gewusst, wer das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut ist. Wir müssen herausfinden wer die Kleine war und wir müssen dafür nach diesem Fotografen suchen.«
Simon ging zum Besprechungstisch und blendete an dem linken Laptop wieder die Benutzeroberfläche ein. Er öffnete aus dem angezeigten Ordner eine weitere Bilddatei.
»Hier ist das andere Foto, das uns Madame Uzar geschickt hat«, kommentierte er die Einblendung auf der Leinwand.
»Jetzt habe ich sie sofort entdeckt, aber sie ist ja auch wieder mit einem Kreis markiert.« Heinz Kühler ging an die Leinwand und tippte auf eines der Kinder, die vor dem Laden standen. »Diesmal trägt sie aber keinen Hut. Sie hat tatsächlich langes Haar, auf dem Gemälde ist das nur angedeutet und sie ist recht groß im Vergleich zu den anderen Kindern. Wie alt mag sie wohl damals gewesen sein?«
Simon zuckte mit den Schultern. Er ging zu seiner Mappe, die auf dem Besprechungstisch lag und zog ein Blatt Papier heraus. Er gab es Heinz Kühler.
»Hier ist der Kurzlebenslauf von Victor Jasoline«, erklärte er. »Leider endet der Bericht bereits im Jahr 1906 und es klingt nicht so, als wenn unser Fotograf in diesem Jahr gestorben sei.«
Heinz Kühler überflog den Text. »Hier steht nur, dass er aus dem Staatsdienst ausgeschieden ist«, sagte er schließlich.
»Gut wir haben jetzt zwei Namen«, sagte Simon, »Victor Jasoline und Julie, wobei der Name des kleinen Mädchens nicht ihr richtiger sein muss. Ich bezweifle nämlich, dass sie wirklich Julie hieß. Es ist ja bekannt, dass Gauguin ein und dieselbe Person auf unterschiedlichen Werken in verschieden Rollen gemalt hat. Nehmen wir das Bild von der schönen Angelie.«
Heinz Kühler nickte. Er kannte das Gemälde.
»Es gibt davon einige Variationen«, fuhr Simon fort. »Auf einigen anderen Werken Gauguins ist eigentlich immer diese Angelie dargestellt, ich meine ihr Gesicht, sie hat dabei aber jedes Mal einen anderen Namen oder war namenlos. Vielleicht hat Gauguin es in unserem Fall anders herum gemacht und er hat dem kleinen Mädchen nur den Namen eines seiner früheren Modelle gegeben. Sie verstehen.«
Heinz Kühler schüttelte den Kopf. »Sie meinen also, dass Gauguin den Namen Julie von einem seiner früheren Modelle verwendet hat. Ich habe natürlich in Gauguins Werk nach einer Julie gesucht, aber nichts auch nur Annäherndes gefunden. Ich kann es zwar nicht zu hundert Prozent ausschließen, aber es scheint sehr sicher zu sein.«
»Es wäre natürlich gut, wenn wir da schon Sicherheit hätten«, sagte Simon. »Es gibt aber immer noch einiges zu tun. Wir haben jetzt lediglich einen guten, nein ich würde sogar sagen, einen sehr guten Ansatzpunkt.«
»Da fällt mir ein, haben sie schon mit Herrn Linz
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