1981 - Richard
klar, dass alles, was mit dem Kunst- und Auktionshaus Blammer im Zusammenhang stand, immer einer gewissen Diskretion unterlag. Es war sicherlich nicht sehr schlimm, dass Florence diese Aufnahme von dem Ölgemälde erhalten hatte, aber es hätte nicht vorkommen dürfen. Sie sah sich jetzt die anderen Bilder an, die mit Florence Mail gekommen waren. Sie öffnete die Dateien am Bildschirm. Die Fotografien schienen schon sehr alt zu sein. Auf dem ersten Foto stand eine Gruppe von Menschen vor einem Fischerboot. Einige Kinder hatten sich hingehockt. Auf dem zweiten Bild waren nur Kinder zu sehen, die vor einer Holzbaracke, vermutlich einem Kaufmannsladen warteten. Florence hatte auf beiden Fotografien eine der Personen mit einem Kreis gekennzeichnet. Es war ein kleines Mädchen, das auf dem einen Bild einen Sonnenhut trug und auf dem anderen ohne Kopfbedeckung zu sehen war. Colette zoomte den Ausschnitt näher heran. Die Kleine hatte langes, vermutlich dunkelblondes Haar. Es dauerte einige Sekunden, bis Colette in dem Mädchen das Kind auf dem Ölgemälde erkannte, dann war es ihr aber eindeutig klar. Sie öffnete noch einmal das Foto von dem Ölgemälde, um ganz sicher zu gehen. Es war tatsächlich so. Noch ganz fasziniert ging sie wieder auf die Mail ihrer Freundin und las noch einmal den Teil der Nachricht, den sie Anfangs nicht verstanden hatte.
...mir war gleich klar, dass ich dieses Gesicht schon einmal gesehen habe. Es gibt eine ganze Ausstellung mit diesen alten Fotografien. Die Bilder hängen jetzt bei uns im Krankenhaus und ich bin losgezogen und habe diese beiden Aufnahmen gefunden. Es ist doch erstaunlich. Der berühmte Paul Gauguin hat das kleine Mädchen gemalt und ich finde eine Fotografie von ihr, sie muss auf Hiva Oa gelebt haben...
Colette stutzte. Die Aufnahme von dem Ölgemälde war noch im Hintergrund ihrer Bildschirmanzeige geöffnet. Sie holte es in den Vordergrund und suchte die Bildränder nach der Signatur ab. In der rechten unteren Ecke wurde sie fündig, »Paul Gauguin, 1902, Julie des Bois«. Colette war sich der Bedeutung von Florence Entdeckung nicht sicher. Vielleicht war es etwas, dass Simon bereits wusste, vielleicht hatte aber auch der Zufall neue Informationen ans Tageslicht gebracht. Sie überlegte kurz, dann wanderte sie mit der Maus quer über den Monitor und drückte auf die Schaltfläche Weiterleiten. Sie wählte Simons Geschäftsadresse aus dem Verzeichnis und übertrug sie in die Mail. Bevor sie die Nachricht versendete, schrieb sie noch eine kurze Erklärung.
*
Das Timing wollte es, dass Heinz Kühler an diesem Nachmittag wieder in München landete und per Handy sofort ins Büro beordert wurde. Er hatte keine Wahl, obwohl er eigentlich direkt nach Hause fahren wollte. Eine knappe Stunde nachdem Anruf, stand er schon vor der Tür seines Chefs und wurde von Frau Hoischen ohne weitere Ankündigung durchgewunken. Simon hatte bereits einiges vorbereitet. Auf dem Besprechungstisch standen gleich zwei Beamer mit angeschlossenen Laptops. Vor dem Tisch war eine Leinwand aufgebaut, auf der sich bereits die beiden Lichtkegel der Beamer abzeichneten.
»Setzen sie sich.«
Heinz Kühler kam der Aufforderung wortlos nach. Sein Chef zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm an den Besprechungstisch. Mit zwei Fingern stellte er die Bildschirmansicht am ersten Laptop ein. Das auf die Leinwand geworfene Licht flackerte auf und zeigte nach weniger als einer Sekunde die Oberfläche des Betriebssystems mit den Icons des Desktops an. Das gleiche führte er mit dem zweiten Laptop durch. Dann ging er wieder an das erste Gerät. Auf der rechten Leinwandseite huschte der Mauszeiger über den Bildschirm. Simon öffnete einen der Ordner und klickte auf eine Datei aus der angezeigten Liste. Wieder verging eine halbe Sekunde, bis sich schließlich ein Bild öffnete und den rechten Teil der Leinwand einnahm. Es war das Ölgemälde, der Gauguin, dem Heinz Kühler in den letzten Tagen in London nach gejagt war.
»Und jetzt passen sie auf«, kündigte Simon an.
Er griff in die Tastatur des zweiten Laptops und öffnete auch hier eine Datei, die jetzt auf der linken Leinwandseite angezeigt wurde. Das Bild war zunächst sehr klein. Simon ging mit dem Mauszeiger auf das Menü und aktivierte die Vollbildanzeige. Die Wiedergabe dauerte eine Sekunde, dann war aber auf der Leinwand ein zweites Foto zu sehen. Es war eine Schwarzweiß-Aufnahme. Es zeigte eine Gruppe von Männern, Frauen
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