1981 - Richard
Herkunft Bescheid weiß.«
»Es ist alles an die Stadt gegangen«, erklärte Madame LaRosa zögernd. »Es gab ja keine Verwandten. Aber jetzt sagen sie nicht, dass sich plötzlich doch jemand für das Erbe von Madame Pallet interessiert, womöglich jemand aus Deutschland, wo sie doch Rechtsanwalt sind.«
Georg lächelte sie beruhigend an. »Nein, um ein Erbe geht es nicht«. Er berichtete wieder von seiner Klientin in München. Mittlerweile gefiel ihm die Geschichte selbst ganz gut.
»Oh, dass sind immer so schöne Geschichten, wenn man nach seinen Ahnen forscht«, sagte Madame LaRosa euphorisch. »Die Großeltern meines Mannes stammen aus Italien, wie sie unschwer an meinem Nachnamen feststellen können.«
»Aber sie selbst sind in Paris geboren, Madame?«, fragte Georg.
Sie lächelte. »Nein, nein, ich bin ein richtiges Landei, ich stamme aus einem kleinen Ort an der Mittelmeerküste, am Golfe du Lion. Es ist nicht gerade Saint Tropez, aber es ist dort auch sehr schön. Meine Eltern hatten bereits ein Hotel. Die Arbeit wurde mir und meinem Mann aber zuviel. Die Touristen in einem Badeort haben andere Ansprüche, als die Touristen oder Geschäftsleute, die nach Paris kommen. Ich wollte immer schon in Paris leben. Wir sind 1975 in die Stadt gezogen. Nach drei Jahren hat es dann endlich mit dem eigenen Hotel geklappt. Wir haben das Haus mit den Möbeln, mit eigentlich allem übernommen. Wir mussten natürlich etwas umbauen. Heutzutage will ja jeder sein eigenes Bad, aber insgesamt konnte es so bleiben, wie es war und die Lage ist natürlich auch sehr gut, sehr zentral.«
»Hat sich denn in den letzten zwanzig Jahren überhaupt einmal jemand von Madame Pallets Verwandten oder vielleicht auch Freunden gemeldet?«, fragte Georg erwartungsvoll.
»Nein, niemand, wer auch. Die Stadt hat doch zwei Jahre lang nach einem Erben gesucht und niemanden gefunden. Wir wären allerdings vorbereitet gewesen. Das Haus gehört uns natürlich. Der Kauf lässt sich nicht rückgängig machen. Das Inventar haben wir entweder behalten oder fortgeschmissen, auf den Müll.« Sie zögerte einen Moment. »Aber es gibt immer noch ein paar persönliche Dinge von Madame Pallet, die ich noch aufbewahre.«
Georg horchte auf. »Darf ich fragen, was das für Sachen sind?«
»Es sind eigentlich nur Fotografien«, antwortete sie. »Wir waren damals ein wenig betroffen. Es sind schließlich sehr persönliche Dinge, die Madame Pallet hinterlassen hat. Die Behörden haben wohl vor der Versteigerung sorgfältig alles Geld, Sparbücher und Dokumente an sich genommen. Das was an Wert noch vorhanden war, soll gerade einmal die Kosten des Leerstands abgedeckt haben. Ich weiß es noch wie heute. In einem der Küchenschränke haben wir ein paar lose Fotografien und einige Briefe gefunden. Das hatten die Behörden wohl übersehen. Meinem Mann war es zu aufwendig, die Sachen abzugeben, es war ja auch nichts von Wert dabei. Wir haben uns die Sachen angesehen, wir kannten Madame Pallet ja nicht. Wir wollten dann alles fortwerfen, haben es aber schließlich doch verwahrt und dass seit mehr als zwanzig Jahren.«
»Darf ich es sehen?«, fragte Georg in einem ruhigen, fast feierlichen Ton, als wenn es darum ginge, die sterblichen Überreste eines Menschen anzuschauen.
»Es hat sich eigentlich noch nie jemand für die Sachen interessiert«, sagte Madame LaRosa. »Ich habe mir die Bilder zwar immer mal wieder angesehen, aber sonst habe ich sie noch niemandem gezeigt.« Sie stutzte. »Na gut, warum sollen sie nicht der erste sein, dem ich es zeige.«
Bevor sich Madame LaRosa anschickte, ihn in ihre Wohnung zu bitten, zog Georg noch eine Visitenkarte aus seiner Manteltasche.
»Danke«, sagte er. »Entschuldigen sie, ich wollte Ihnen noch meine Karte geben.«
Sie sah auf die Visitenkarte und las sich die Zeilen durch. »Sie kommen aus München?«
»Ja, ich habe in München meine Kanzlei.«
Madame LaRosa nickte. »Interessant«, bemerkte sie. Sie blickte ihn wieder an. »Wenn sie mir folgen wollen, dann kann ich Ihnen die Sachen von Madame Pallet zeigen.«
Sie ging voraus. Die Wohnung hinter dem Tresen nahm fast das gesamte Erdgeschoß des Hauses ein. Georg folgte ihr über den Flur in ein Wohnzimmer. Sie bot ihm einen Platz an und holte einen Blechkasten aus der untersten Schublade eines Eichenschrankes. Der Kasten war nicht viel größer als eine Keksdose. Zuerst holte Madame LaRosa eine verzierte Kokosnussschale hervor und legte sie auf den
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