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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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hellen Braunton gebeizt und passten nicht nur farblich zueinander, sie schienen auch alle aus einer Serie zu stammen, selbst der Nachttisch, der links neben dem Bett stand. Der Kleiderschrank war schmaler als in dem Zimmer nebenan, besaß aber ebenfalls einen eingelassenen Spiegel. Georg stellte sich vor das Bett.
    »War das ihr Bett«, fragte er.
    »Nein, sie hatte wohl ein Gästezimmer im Haus«, antwortete Madame LaRosa. »Es befand sich auch im ersten Stock. Wir haben alles hier nach oben gebracht, auch das Bild.«
    »Das Bild?«, fragte Georg und sah sich um.
    »Nein, hinter Ihnen, über der Kommode«, dirigierte ihn Madame LaRosa.
    Georg drehte sich in die andere Richtung. Er hatte es gar nicht gesehen, es hing über der Kommode. Es hatte einen verschnörkelten goldenen Rahmen, der nicht zu den dunklen Farben passte. Georg ging instinktiv einige Schritte zurück, bis er mit den Kniekehlen von hinten gegen das Bett stieß. Er erkannte eine dreibögige Brücke, mit groben Pinselstrichen gemalt. An der Uferpromenade verlief eine Straße, dahinter standen große Gebäude, die Dächer einer Stadt zogen sich grau am Horizont entlang. Alles war nur angedeutet, es gab keine Details und dennoch konnte der Betrachter sofort erahnen, was dargestellt sein sollte. Der Fluss unter der Brücke war in einem eigenartigen dunklen blau gemalt, mit weißen Strichen, die wie Wellenkämme wirkten, kleine Wellen auf einem fließenden Strom.
    »Es ist die Seine«, durchbrach Madame LaRosa die Stille, in der beide sich das Bild für einige Sekunden betrachtet hatten. »Es ist am Saint Michel , der Pont Saint Michel .«
    Georg nickte und ging jetzt näher an das Ölgemälde heran. Er suchte am Rand des Bildes nach der Signatur. Es gab keinen Bildtitel, der die Behauptung von Madame LaRosa bestätigte, dafür gab es etwas anderes, etwas, das Georg sehr überraschte. Mit feinen schwarzen Pinselstrichen war die Jahreszahl 1949 an den rechten Rand des Bildes geschrieben, daneben die Signatur. In geschwungenen Buchstaben hatte sie ihren Namen hinterlassen: »T. Pallet«.
    »Ist das wahr, hat Madame Pallet dieses Bild gemalt?«, fragte er.
    Madame LaRosa ging ebenfalls näher an das Gemälde heran und trat wieder neben Georg. »Das Bild stammt aus ihrem Nachlas. Wir haben es nur von unten hier heraufgebracht, es hing auch in ihrem Gästezimmer. Ich bin sicher, es stammt von ihr.«
    »Und woher wissen sie, dass es die Pont Saint Michel zeigt, dass es überhaupt Paris ist?«, fragte Georg ungläubig. »Das Bild hat keinen Titel.«
    »Ich kenne Paris«, antwortete Madame LaRosa. »Hier am Bildrand ist der Place Saint Michel zusehen, eindeutig. Es wurde mit Blick auf das Südufer der Seine gemalt.«
    Georg dachte kurz darüber nach, warum er hier war. Das Bild vor ihm hatte so gar nichts von dem Gauguin-Gemälde, es war aber immerhin ebenfalls in Öl gemalt, er war zumindest davon überzeugt, dass Thérèse Pallet Ölfarben für ihr skurriles Werk verwendet hatte. Madame LaRosa unterbrach seine Gedanken.
    »Ja, das ist also meine kleine Pension«, sagte sie. »Ich hoffe es gefällt Ihnen. Wo wohnen sie denn hier in Paris?«
    Georg sah sie an und lächelte. »Ich würde natürlich hier wohnen, aber ich bin nur für heute in der Stadt. Ich fliege am Abend zurück nach München, aber das nächste Mal, wenn ich über Nacht bleiben sollte, werde ich mich bei Ihnen nach einem freien Zimmer erkundigen, das verspreche ich.«
    »Das ist sehr höflich von Ihnen, danke«, sagte sie.
    Georg ging noch einmal ein paar Schritte zurück und betrachtete das Gemälde über der Kommode. Er wandte sich schließlich Richtung Tür und sie verließen gemeinsam das Zimmer. Madame LaRosa verschloss den Raum wieder sorgfältig. Sie ließ Georg vorangehen, die beiden Treppen hinunter bis ins Erdgeschoß, zu der kleinen Rezeption, vor der sie stehenblieben.
    »Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Madame«, sagte Georg schließlich. »Sie haben mir wahrscheinlich sehr geholfen. Vielleicht werde ich schon bald nach Allaire reisen und dort meine Recherchen fortsetzen. Mit etwas Glück ergeben sich neue Hinweise. Wer auch immer diese Yvette war, wenn sie in Allaire, vermutlich in dem Sanatorium dort, ein Kind zur Welt gebracht hat, dann gibt es auch Unterlagen darüber. Denn wenn ich den vollständigen Namen von Yvette herausfinde, gibt es vielleicht wieder eine Spur zu Madame Pallet und zum Urgroßonkel meiner Klientin.«
    »Das klingt furchtbar spannend«, sagte Madame

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