1986 Das Gift (SM)
den ersten Beutel auf, warf ihn Felix zu, dann den zweiten, den dritten. Im ganzen waren es zehn. Durch das Klarsichtmaterial hindurch waren die grünen Dollarpacken deutlich zu erkennen.
Während Richard und Felix mit der Übernahme des Geldes beschäftigt waren, beobachtete Leo den Mann, warf aber zwischendurch immer auch einen Blick zurück, zu den Seiten, nach oben und auf den Monitor. Seine MAUSER hatte er in den Hosenbund gesteckt.
Als die Beutel an Bord waren, rief er dem Mann zu: »Ablegen und full speed zurück zum malecón ! Wenn Sie sich umdrehen, schießen wir! Und sagen Sie Ihren Leuten: Keine Tricks bei der Lagune! Sonst ist Acapulco doch noch verloren!«
»Okay.«
Richard und Felix zählten das Geld, machten es, wie vereinbart, nur oberflächlich, zählten einige Packen Note für Note durch, prüften dann bei anderen durch rasches Blättern, ob sie Attrappen enthielten, fanden keine. Danach legten sie die Stapel, geordnet nach Tausendern, Fünfhundertern, Hundertern und Fünfzigern, nebeneinander auf die Decksplanken und verglichen sie in der Höhe. Nach einer Viertelstunde wußten sie: Grob gesehen, stimmte die Summe. Sie begannen, das Geld in den Spezialboxen zu verstauen, steckten in einen der Behälter die Pistolen, ihre und die der Toten, und auch deren persönliche Sachen.
Als sie fertig waren, sagte Richard: »Ich werde Prinz Heinrich wecken. Von jetzt an hat er die Wache.«
Er ging hinunter in die Kajüte und kam gleich darauf zurück, unter dem Arm eine Schaufensterpuppe. Sie trug eine weiße Hose und einen dunkelblauen Schifferpullover. Die Mütze war, damit der Wind sie ihr nicht vom Kopf wehen konnte, angeklebt. Er stellte die Puppe auf die Brücke, zurrte sie fest, band ihr zum Schluß sogar die Hände ans Ruderrad.
Unterdessen hatten Leo und Felix die Scooter und die Taucherausrüstungen nach hinten gebracht, und nun richteten sie an Steuerbord den Speerkranz wieder auf.
Neunzehn Minuten nach der Geldübergabe standen die drei am Heck. Sie hatten von Anfang an gewußt: Das Eintauchen ins Wasser war heikel, weil es auf keinen Fall beobachtet werden durfte. Darum hatte es zur Umrüstung der FLECHA gehört, zwei große und senkrecht stehende Metallplatten dergestalt ans Heck zu montieren, daß es aussah, als seien sie Bestandteile der Bordwände. Doch die auf diese Weise geschaffene Abschirmung wirkte nur zu den Seiten hin, und so hatten sie die hinten angebrachten Davits, an denen das kleine Beiboot hing, verlängert. Dadurch bildete das etwa zwei Quadratmeter große, von den Metallplatten, dem heruntergelassenen Beiboot und dem eigentlichen Heck geschaffene Viereck einen Einstiegsschacht, der tatsächlich von keiner Seite her eingesehen werden konnte.
Sie zogen die Taucheranzüge und Schwimmflossen an, schnallten die Preßluftflaschen, Geldboxen und Atemgeräte um, klinkten die überzähligen Boxen in die Handgriffe der Scooter ein, legten sich hin. Richard richtete sich noch einmal halb auf, winkte der im Brückenhaus stehenden Puppe zu und rief:
» Bye-bye , Käpt’n!«
Dann glitten sie, einer nach dem anderen, wie Robben ins Wasser, zogen die Scooter nach.
Drei Minuten später – mit Hilfe der Elektromotoren hatten sie schon gut zweihundert Meter zurückgelegt – startete die FLECHA mit Südkurs und halber Fahrt. Es war 22.26 Uhr. Für den Kurswechsel auf Ost-Süd-Ost war der Autopilot auf 22.58 Uhr programmiert. Nach der Drehung würde das Schiff auf die Lagune Chantengo zuhalten.
17.
Sie schwammen in V-Formation. Leo voran, die beiden anderen einen knappen Meter hinter ihm, Richard nach links, Felix nach rechts versetzt.
Sechsmal hatten sie, vom Ruderboot aus, im Training die Strecke zurückgelegt, viermal bei Tage und ohne Scooter, was ein Vielfaches an Zeit und Kraft erfordert hatte, zweimal mit Scooter bei Nacht. Die Proben hatten sie jeweils zu fünft durchgeführt, weil einer das Boot zurückbringen mußte. Bei den nächtlichen Übungen hatten sie auf der Hinausfahrt die Schlitten in Schlepp genommen, um das Boot nicht zu überlasten. Auch bei der Tauchübung hatte es ein Schleppmanöver gegeben, denn sie besaßen nur fünf Scooter, würden aber am Tage X – jedenfalls glaubten sie das zu jener Zeit noch – zu sechst sein, und da alles Üben dem Ernstfall galt, war es nur konsequent gewesen, daß sie die Bedingungen dieses Ernstfalles simulierten. Folglich hatte Raúl sich bei einem von ihnen einhängen müssen, und zwar bei dem
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