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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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den Namen zudecken und den Heimathafen? Das hätten sie mit Farbe leichter haben können.
Er setzte das Glas ab, kletterte über ein paar Wurzelstümpfe hinweg, bekam nasse Füße, kletterte weiter, bis er seinen Nachbarn erreicht hatte. Der Oberleutnant hatte ihn kommen sehen und hielt ihm die Hand hin, damit er über ein Bündel Mangrovenwurzeln hinwegsetzen konnte. Er hatte danach noch immer keinen festen Stand, hielt sich an ein paar Zweigen fest.
»Was mag da los sein?« fragte er den Offizier.
»Vielleicht sind sie mißtrauisch und wollen erst ein paarmal hin und her fahren, bevor sie an Land kommen. Würde ich auch tun. Dies ist für sie der heikelste Schritt überhaupt, und wenn Sie …«
Weiter kam er nicht. Der Satz erstarb ihm auf den Lippen. Eine riesige gelbrote Stichflamme schoß himmelwärts, und gleich darauf erfolgte ein so heftiger Donnerschlag, daß Paul Wieland sich die Fäuste an die Ohren drückte, um den Schmerz abzuwehren. Er hatte, wie sein Nachbar auch, blitzartig den Kopf eingezogen. Aber weil er die Zweige losgelassen hatte, begann er zu rutschen und landete im Wasser. Ihm blieb keine Zeit, wieder aufzustehen, denn plötzlich schwirrten Brocken durch die Luft, schlugen ins Geäst und klatschten ins Wasser. Erneut zog er den Kopf ein, hielt ihn sekundenlang nach unten, schützte ihn mit den angewinkelten Armen.
Als es ruhig geworden war, kam er hoch, stieg aus dem Wasser. In diesen ersten Momenten nach der Detonation erschien ihm der Lärm des Hubschraubers wie ein leichtes Summen.
»Sind Sie okay?«
Er konnte die Stimme des Oberleutnants kaum hören, geschweige denn verstehen.
»Was sagten Sie?«
»Sind Sie okay?« schrie der Offizier.
»Ja. Und Sie?«
»Auch.«
Sie kamen aus dem Dickicht, alle fünf, gingen auf den Hubschrauber zu. Der junge Marineleutnant taumelte, und als sie bei den Bootsplanken angekommen waren, sahen sie, daß er verletzt war. Irgend etwas hatte ihn an Hals und Ohr getroffen. Er blutete stark. Ein Kollege versorgte ihn aus dem Erste-HilfeKasten.
Inzwischen hatte der Pilot die Maschine ausgeschaltet. Er kletterte heraus. Alle sahen aufs Wasser. Das Schiff war weg.
»Mein Gott!« rief Paul Wieland aus, und die anderen hätten meinen können, das gelte – Ganoven hin, Ganoven her – den zerrissenen Männern der Yacht oder vielleicht auch der Verletzung des neben ihm stehenden Leutnants, doch weder das eine noch das andere traf zu. Paul Wielands Entsetzen bezog sich auf etwas ganz anderes, und seine nächsten Worte machten es deutlich:
»Und wer sagt uns jetzt, wo die Fässer sind?«

3. Teil - DIE JAGD 
1.
    Um Viertel nach vier in der Nacht kam Paul Wieland von seinem Einsatz an der Chantengo Lagune zurück. Zwei der Offiziere, die, gleich ihm, die Explosion der Yacht aus der Nähe erlebt hatten, begleiteten ihn. Der eine war jener Oberleutnant, der seinen Beobachtungsposten unmittelbar neben ihm gehabt hatte, der andere der Korvettenkapitän. Der Pilot des Hubschraubers und der Leutnant des Heeres wurden noch bei der Suche nach Wrackteilen gebraucht, und den Verletzten hatte man in das Hospital der Base Naval gebracht.
    Im Zimmer 1610 des Hotels REINA DEL PACIFICO wurde die neue Lage erörtert. Zwar war der Krisenstab von der überraschenden Wende, die die Ereignisse an der Lagune genommen hatten, schon telefonisch unterrichtet worden, aber nun sollten die Augenzeugen berichten.
    Die Zuhörer waren: der Bürgermeister, der Pressesprecher, der Psychologe, der Chemiker, der Oberst und der Polizeichef. Die drei Berichterstatter waren mit Kaffee und Cognac versorgt worden. Als erster sprach der Mann von der Marine, dann Paul Wieland und zum Schluß der Oberleutnant. Die Darstellungen waren im großen und ganzen identisch. Es gab nur geringfügige Abweichungen, und sie rührten vom ungleichen Sehvermögen her oder entstanden durch die persönliche Interpretation der beobachteten Vorgänge. So glaubte der Oberleutnant, auf der Brücke zwei Gestalten gesehen zu haben.
    »Nein, es war nur einer da«, sagte der Korvettenkapitän, »und ich neige zu der Annahme, daß es gar kein Mann war, sondern, wie auch der Pilot und Herr Wieland meinen, eine Attrappe, eine mit Kleidung behängte und ans Ruderrad gebundene Puppe.«
    »Wie kommen Sie darauf?« fragte der Bürgermeister. »Als die Yacht auf unserer Höhe war, hätte sie den Kurs ändern und auf uns zuhalten müssen. Das tat sie nicht. Zu dem Zeitpunkt dachten wir noch, die Gangster wollten den Landeplatz erst mal auf

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