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1986 Das Gift (SM)

1986 Das Gift (SM)

Titel: 1986 Das Gift (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wollen. Wie soll das Ganze überhaupt vor sich gehen? Sie werden also mit ihrer Yacht zur Lagune Chantengo fahren, dort in den Helikopter umsteigen und sich zum Flugzeug bringen lassen, und dann geht’s außer Landes. Aber bis dahin müssen sie natürlich das Geld haben. Und wer weiß, vielleicht sprengen sie, weil es ihnen zuwenig ist, aus Wut die Fässer dann doch noch in die Luft.«
Wieland nickte verdrossen. »Das ist es. Bei solchen Geschäften gibt es keine Garantien. Das Prinzip ›Zug um Zug‹ funktioniert hier nicht. Sie werden uns also bestimmt nicht kurz vorm Besteigen des Flugzeugs einen Stadtplan in die Hand drücken, auf dem die Standorte der Fässer eingezeichnet sind.«
»Vielleicht doch«, meinte der Vizeadmiral. »Sie geben uns den Stadtplan, aber mit der Auflage, die Fässer erst nach etlichen Stunden anzurühren. Sie haben ja ihre Leute an Land, können sich also, auch wenn sie uns die Standorte mitgeteilt haben, einen ausreichenden Vorsprung sichern. Wenn sie wollen, sogar einen von drei Tagen und mehr.«
»Verflucht, Sie haben recht!« Wieland schlug die Fäuste gegeneinander. »Ich wünschte mir …« Das Zimmertelefon klingelte. Der Psychologe nahm den Hörer ab, meldete sich. Nach zwei Minuten hängte er wieder ein. Der Admiral, Wieland und Garcia waren ins Zimmer gegangen.
»Das war Dr. Peralta«, sagte Reyes. »Er ist fertig mit der Analyse. Es ist Dioxin. Fast 700 ppm hat er nachweisen können. Also wird, da er das schnelle Verfahren benutzt hat, die Angabe von 1000 ppm stimmen.«
»1000 ppm, was heißt das eigentlich genau?« fragte Wieland.
»Eintausend parts per million . Mit anderen Worten: 0,1 Prozent. Und das wiederum bedeutet: Allein in dem untersuchten Faß befinden sich etwa zweihundert Gramm eines Giftes, von dem schon wenige Milliardstel Gramm gefährlich sind. Es ist also keine leere Drohung.«
Der Bürgermeister griff zum Telefon, erkundigte sich im Rathaus nach dem Stand der Evakuierung. Dann rief er aus dem Nebenzimmer den stellvertretenden Polizeichef herein, schloß die Tür. Er teilte ihm das Ergebnis der Analyse mit und fragte dann: » Señor Vázquez, können wir die Transporte noch weiter vorantreiben?«
»Sie laufen schon auf Hochtouren. Mit jeder Stunde, die vergeht, sind es etliche Tausend mehr, die die Stadt verlassen haben.«
»Wie sieht es mit denen aus, die bleiben wollen? Haben Sie da einen Überblick?«
»Nein, aber selbst wenn wir nur mit zwanzig Prozent rechnen, sind es fast zweihunderttausend Menschen. Wir haben da keine Erfahrungen, und nachzählen können wir natürlich auch nicht.«
»Aber wieso bleiben diese Leute hier?« Der Bürgermeister schlug sich mehrmals gegen die Stirn. »Die müssen doch verrückt sein! Kennen die Gefahr und bleiben!«
»Wir bringen gleich eine neue Durchsage, teilen den Leuten mit, was wir jetzt wissen. Vielleicht hilft das. Aber bestimmt sind es viele, die trotzdem bleiben. Zum Beispiel Hausbesitzer, die eine Plünderung befürchten, und dann natürlich auch die, die diese Chance zum Plündern wahrnehmen wollen. Denken Sie allein an die vielen Läden, an die Hotels, die Restaurants! Und es gibt wohl auch Leute, die keine Angst haben. Die empfinden angesichts der großen Gefahr vielleicht sogar einen gewissen Kitzel. Na, und dann das Heer der Gleichgültigen, das gibt’s auch noch.«
Reyes nickte zustimmend. Er sagte: »Über Verweigerungsmotive bei Evakuierungen hat, soviel ich weiß, noch niemand gearbeitet. Aber señor Vázquez hat recht, eine Millionenstadt kriegt man nicht leer, jedenfalls nicht durch die Androhung einer Katastrophe. Da muß es schon die Katastrophe selbst sein, und die kehrt dann leider mit einem anderen Besen.«
Paul Wieland fragte den Bürgermeister: »Wann teilen wir den Gangstern das Resultat der Analyse mit?«
»Wie vereinbart, um acht Uhr.«
»Ich muß jetzt für ein paar Stunden weg, will nach meinen Eltern sehen, auch nach meinen Gästen, sofern sie noch da sind.«
»Tun Sie das! Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie überhaupt mitmachen, Sie als Privatmann!«
»Die Kerle wollen mein Geld!«
»Na, das allein ist es ja wohl nicht. Ich kenne Sie doch.
Grüßen Sie bitte Ihren Vater! Wieso ist er noch in der Stadt? Und Ihre Mutter?«
»Das ist es. Ich will versuchen, die beiden wegzuschicken, jetzt, wo wir wissen, wie groß die Gefahr wirklich ist.«
»Kommen Sie wieder?«
»Natürlich.«

12.
    Paul Wieland verließ das Hotel auf der Strandseite, wo sich nun ebenfalls zahlreiche Menschen eingefunden

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