1986 Das Gift (SM)
gefüllt. Von denen haben wir ja mehr als genug.«
Und wieder machten sie sich an die Arbeit. Das Tauwerk reichte nicht, aber sie hatten eine Kabelrolle in Reserve, und so waren die Toten nach einer halben Stunde mit ihrem Ballast verzurrt.
»Wir sollten ihnen die persönlichen Sachen abnehmen«, sagte Felix, »falls doch mal einer wieder hochkommt.« »Stimmt«, sagte Leo.
Und so sammelten sie ein: Armbanduhren, eine Halskette, einen Ring, ein Kruzifix, aufgeweichte Papiere.
»Los!« sagte Leo. »Und fangt bloß nicht an zu beten!«
Aber Richard sagte: »Georg war in Ordnung. Er hätte seinen Anteil verdient. Ich schrubb’ nachher sein Blut von Deck.«
Als erstes hievten sie den Mexikaner über die Kante, dann Fernando, dann Georg. Die Gewichte sorgten dafür, daß die Körper schnell untergingen. Sie glitten durch das milchige Licht und verschwanden im Dunkel.
Richard säuberte das Deck. Felix trug die persönlichen Dinge der Toten hinunter in die Kajüte.
Es war fast zwei Uhr in der Nacht, als sie sich draußen zu einer Zigarette hinsetzten.
In der sechzehnten Etage des Hotels REINA DEL PACIFICO, dessen Gäste inzwischen die Stadt verlassen hatten oder umquartiert worden waren, arbeiteten die Männer schon seit geraumer Zeit nach einem Wachplan.
Garcia, Wieland und der Vizeadmiral standen auf dem Balkon. Reyes saß auf der Kofferablage und trank seine achte oder neunte Tasse Kaffee in dieser Nacht. Der Bürgermeister und der Licenciado vom Tourismus-Ministerium hatten sich auf das breite Bett gelegt. Oberst Cobarrubia war in einem Sessel eingeschlafen. Eugenio Cabrera von der Asociación de Hoteles hatte sich in einen der Sitzungssäle begeben, wo er und seine Kollegen damit beschäftigt waren, einen vorläufigen Verteilerschlüssel für das Aufbringen des Lösegeldes zu erarbeiten. Auch der Polizeichef hatte das Zimmer verlassen. Ein Helikopter hatte ihn vom Dach des Hotels aus zum Flughafen gebracht. Dort nämlich drohte der Abtransport der Flüchtlinge ins Stocken zu geraten, weil viele Privatflugzeuge die Starts und Landungen der großen Maschinen behinderten. Immer wieder erschienen, nicht selten entgegen den vom Tower erteilten Weisungen, die kleinen PIPERS, CESSNAS und MITSUBISHIS auf dem Rollfeld, und sie kamen nicht nur von ihren Parkplätzen oder aus den Hangars, sondern auch aus der Luft. Mancher besorgte Familienvater war, aufgeschreckt durch die Rundfunk- und Fernsehberichte, irgendwo im Innern der Republik gestartet, um seine Angehörigen aus der bedrohten Zone herauszufliegen.
Außer Cabrera und dem Polizeichef fehlte natürlich auch Dr. Peralta. Vor einer Viertelstunde hatte er angerufen und erklärt, das Ergebnis der Analyse werde in Kürze feststehen.
Der Vizeadmiral senkte sein Fernglas. »Was mag das bedeuten? Sie hatten den Scheinwerfer an, und ihr Schiff hat ganz eindeutig Fahrt gemacht. Es hat auch mehrmals gedreht. Aber jetzt liegt es wieder an seinem alten Platz. Garcia, vielleicht fragen Sie doch lieber mal nach, allein schon damit sie merken, daß wir sie ständig beobachten.«
Garcia verließ den Balkon, und gleich darauf hörte man seinen Ruf:
»Achtung, kommen! Achtung, kommen!«
Und dann kam die Antwort:
»Ja, was gibt es? Kommen!«
»Sie haben ein Manöver gefahren. Warum?«
»Das brauchen wir Ihnen eigentlich nicht zu erklären, aber Sie dürfen es gern wissen. Wir haben eine Überprüfung sämtlicher Geräte durchgeführt; dazu gehören natürlich auch die Maschine und die Ruderanlage. Schließlich stechen wir morgen nacht in See. Wie ich hoffe, beladen. Mit Dollars. Falls wir wider Erwarten leer fahren, ist es eine verseuchte Stadt, die wir hinter uns lassen. Wie weit sind Sie mit der Geldbeschaffung?«
»Dreizehn Komma zwei Millionen Dollar haben wir zusammen. Morgen mittag kommen weitere sieben Millionen aus der Hauptstadt.«
»Da müssen Sie sich aber beeilen! Das sind ja gerade erst dreißig Prozent der Summe!«
»Wir bemühen uns, aber wir können nicht zaubern.«
»Haben Sie denn schon in Ihr Faß gesehen?«
»Das Ergebnis ist in Kürze da.«
»Es wird Ihnen auf die Sprünge helfen. Ende.«
»Ende.«
Garcia kehrte auf den Balkon zurück. »Sie haben sicher mithören können.«
»Ja«, antwortete Wieland. »Die gehen mit uns um, als wären wir Marionetten. Es war wieder der Sprecher, den ich für einen Deutschen halte.«
»Ich mache mir die größten Sorgen«, sagte der Vizeadmiral, »sie werden nicht zufrieden sein mit den zwanzig Millionen, die wir ihnen anbieten
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