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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Kronzeugen-Version lag auf dem Tisch. Und einer machte den Vorschlag, jemanden von uns als Gaddafi zu verkleiden und ihn bei der Begrüßung der freigelassenen Gefangenen zu filmen.«
Lemmert lachte. »Stimmt. Es kam mir damals so vor, als wären unsere Vorgesetzten über Nacht zu Regisseuren geworden und übertrumpften sich gegenseitig mit den wildesten Gags. Am tollsten fand ich den Vorschlag, die GSG-9 einzusetzen, aber mit einem Riesen-Bluff. Erinnerst du dich?«
»Nein, ich mußte dann in die Schweiz, um Payot zu observieren, was ja ebenfalls gegen die Spielregeln war, wie so manches andere auch, zum Beispiel das Abhören von sechzigtausend Telefongesprächen. Was war mit der GSG-9?«
»Die Idee war folgende: Die GSG-9 sollte die Freilassung der Häftlinge überwachen, dann aber, kurz vor der Übergabe auf dem Frankfurter Flughafen, aus angeblich eigener Initiative zuschlagen, ihre Schutzbefohlenen entführen, verschleppen und mit ihrer Erschießung drohen für den Fall, daß die Erpresser nicht bereit wären, einzulenken. Das Ganze sollte so aussehen, als wären unsere Spezialisten der Unentschlossenheit der Regierung überdrüssig geworden und nähmen das Ruder in die Hand. Also eine Art Selbstjustiz, an der Regierung vorbei, aber in Wirklichkeit mit deren Wissen und Einverständnis. Vorhin haben wir ganz ähnliche Töne gehört, nämlich als Schattner sagte, wenn er einen von der VITANOVA in den Fingern hätte, würde er sich womöglich vergessen, um rauszukriegen, wo die Granaten versteckt sind.«
»Ja, und er sagte auch, er könnte vielleicht sogar einen von uns bitten, mit dem Mann ins Nebenzimmer zu gehen und dann die Nerven zu verlieren. Mensch, Conny, das wäre nun wirklich ’ne verdammt exotische Lösung! Eigentlich ist diesmal der Fall …, na, ich will nicht behaupten, daß er noch komplizierter ist, nur eben ganz anders. Erstens: Wir haben keinen von der Gruppe in unserer Gewalt. Damals hatten wir Baader, Meinhof, Ensslin und Raspe. Zweitens: Die VITANOVA hat keinerlei Forderungen gestellt. Das ist überhaupt das Kuriosum, und zugleich ist es ein Problem! Die Burschen wollen weder Geld noch sonstwas!«
»Ja, sie haben uns nur ganz schlicht den Krieg erklärt.«
»Vorsicht mit dem Wort ›Krieg‹! Das ist genau die Vokabel, die solche Typen hören wollen, damit sie als Kombattanten dastehen und nicht als gewöhnliche Kriminelle.«
»Ich sag’ das ja nur zu dir. Aber eins steht fest: Von gewöhnlichen Kriminellen unterscheiden sie sich allein schon dadurch, daß sie nicht auf persönliche Bereicherung aus sind. Zwei VX-Granaten …, damit setzt man sich nicht in die Karibik ab.« Lemmert schenkte Kaffee nach.
»Schmeckt wirklich fabelhaft«, sagte Ahrens. »Was für eine Marke ist das?«
»Ist keine Frage der Marke. Mußt deiner Elsa nur sagen, sie soll die dreifache Menge nehmen.«
»Das setz’ ich nie durch.«
»Dafür hast du immer ein gemachtes Bett, und deine Klamotten sind in Ordnung.«
»Manchmal hätt’ ich lieber solchen Kaffee. Aber sei’s drum! Wir waren bei der VITANOVA.«
»Die keine Forderungen stellt.«
»Und genau das läßt darauf schließen, daß sie das VX einsetzen wird. Fragt sich bloß, wann und wo.«
Lemmert rieb sich das unrasierte Kinn. »Mir kommt da grad eine Idee«, sagte er. »Wir wissen, daß Golombek sich von der Gruppe abgesetzt hat. Wie wär’s denn, wenn wir in ganz Westeuropa einen Aufruf an ihn richteten? Er möge sich um Gottes willen melden, oder er würde sich schuldig machen am Tod von mindestens hunderttausend Menschen! Ihm ins Gewissen reden! Ihm vielleicht sogar den Kronzeugen-Status anbieten!«
»Geht nicht. Das haben die Liberalen verhindert. Übrigens mit Recht, wie ich meine.«
»Wir können ihn ja ›Gewährsmann‹ nennen oder wie auch immer. Jedenfalls lassen wir ihn wissen, daß er, wenn er sich meldet, mit einem toleranten Verfahren rechnen darf.«
»Und wenn«, antwortete Ahrens, »nun er es war, der seine vier Angestellten umgebracht hat? Oder wenn er an der Ermordung der GIs beteiligt war? Oder Jeff Haggerty auf dem Gewissen hat?«
»Das glaube ich nicht. Sein Telefonat mit dem Polizeiposten von Wasloh spricht dagegen.«
Ahrens überlegte, nickte schließlich. »Die Idee ist nicht übel. Aber auch wenn er sich meldet, bleibt die Frage, ob er überhaupt was weiß.«
Lemmert zündete sich eine Zigarette an, gab auch dem Freund eine, sagte dann: »Der muß ’ne ganze Menge wissen! Vierzehn Tage lang hat er mit denen zusammengearbeitet, und da

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