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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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den der tödliche Kampfstoff entwich, genau auf die vierzehn Männer zu. Sie reagierten ähnlich, wie Ruhnke es getan hatte, schrien immer wieder auf und schlugen um sich. Einige warfen sich auf den schwankenden Boden ihres kleinen Fahrzeugs, suchten Schutz hinter der nur dreißig Zentimeter hohen luftgefüllten Schlauchwand. Andere sprangen ins Wasser, doch da keiner von ihnen einen Schutzanzug trug, ja, ein paar sich sogar mit freiem Oberkörper von der Reling gestürzt hatten, starben sie alle binnen Minuten. 
    Auch auf dem Schiff gab es Opfer. Ruhnke war der erste Tote gewesen. Der Stabsarzt und der Sanitäter hatten ihn
nach gründlicher Untersuchung über Bord geworfen. Jedem war klar gewesen, daß es nicht anders ging. Die vier Soldaten, die versucht hatten, ihm zu helfen, wanden sich an Deck. Sie hatten Atropin bekommen, aber es war noch nicht abzusehen, ob sie durchkommen würden.
Um die Ausstattung mit Schutzkleidung war es schlecht bestellt. Es standen tatsächlich nur die beiden Ausrüstungen zur Verfügung, die sich im Messeraum befunden hatten. Daher konnten die ersten konkreten Hilfsaktionen allein von dem Stabsarzt und vom Sanitäter durchgeführt werden. Auch trugen die Soldaten, was gegen die Vorschrift war, ihre ABC-Ausrüstung nicht am Mann , sondern die unter Umständen lebensrettenden Taschen lagen in den Fahrzeugen. Da es mittlerweile als gesichert galt, daß das Gas im Bereich des Autodecks ausströmte, bestand keine Hoffnung, die weiteren an Bord befindlichen Anzüge und Gasmasken benutzen zu können, denn sie lagen, in Kisten verpackt, in einem der Transporter, waren also mit hoher Wahrscheinlichkeit verseucht.
Um Viertel vor elf begaben der Arzt und der Sanitäter sich nach unten, stießen dort auf sechs tote Soldaten. Drei lagen zusammengekrümmt auf den geriffelten Metallplatten des Autodecks. Einer saß vornübergesunken neben einem stählernen Poller. Der fünfte hatte offenbar durch die Fahrerluke in einen der MTWs klettern wollen. Es war ihm nicht gelungen. Sein Oberkörper war in der Öffnung verschwunden, Bauch und Beine aber lagen ausgestreckt auf der Panzerplatte. Der sechste schließlich war im Steuerbord-Treppenaufgang gestorben. Entweder war er von der Toilette gekommen oder er hatte sich seiner verseuchten Kleidung entledigen wollen, denn er lag mit heruntergezogenen Hosen auf den Stufen.
Bendixen und Pahlke wußten, auch diese Leichen mußten so schnell wie möglich über Bord! Aber sie konnten sie nicht an Oberdeck tragen, denn das hieße, das Gift mit hinaufbringen. Das beste wäre, der Kapitän öffnete von der Brücke aus eine der beiden Ladeklappen. Nur, wie sollte man ihm Bescheid geben? Zwar existierte eine Sprechfunkanlage, aber sie durften es nicht wagen, auch nur für Sekunden die Gasmasken abzunehmen, und ebensowenig durfte einer von ihnen persönlich an Deck erscheinen.
Ratlos standen sie beieinander, als sich plötzlich wie durch ein Wunder, Bug- und Heckklappe öffneten. Später erfuhren sie, daß es dem Kapitän darauf angekommen war, einen möglichst raschen Abzug der Giftwolke herbeizuführen. Sie begannen, die Toten ins Meer zu werfen. 
    Zwar trieb der starke Luftstrom von nun an einen großen Teil des Giftes von Bord, doch war das Übel damit nicht beseitigt, weil immer neues VX entwich. Und leider sorgte die Maßnahme des Kapitäns sogar für einen weiteren Toten. Zwischen den Fahrzeugen bildeten sich nämlich Wirbel, die einen Teil des Giftes, vielleicht über einen der Treppenaufgänge oder durch einen geöffneten Luftschacht, an Oberdeck trieben, und zwar genau dorthin, wo einer der gewaltigen Ventilatoren stand, die gemeinhin dafür sorgten, daß frische Luft in die Unterkünfte kam. Diesmal aber gelangte VX in den Schlund und drang in ein Logis, in dem ein Matrose der Freiwache schlief. Auch ihn traf die tödliche Wolke.
Der Kapitän hatte inzwischen SOS gefunkt. Er hatte zunächst erwogen, nur eine XXX-Meldung durchzugeben, die abgeschwächte Seenot-Variante, bei der zwar Hilfsbedürftigkeit, nicht aber eine Gefährdung des Schiffes signalisiert wird. Bald aber war ihm klargeworden, daß der Notfall sich auch auf seine ALBATROS erstreckte, die in Kürze als Geisterschiff durch die Ostsee treiben könnte. Die Männer auf den in der Nähe befindlichen Schiffen sahen sich nach dem Auffangen des Notrufs in einer schwierigen Lage. Dank ihres Standorts konnten sie zwar schnell zur Stelle sein, aber

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