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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Terroristen den oder die Behälter deponiert haben könnten. Für Unbefugte hatte während des ganzen Manövers keine Chance bestanden, ins Innere der Fahrzeuge vorzudringen.
Also, folgerte er, gab es nur die Möglichkeit, das Gift außen anzubringen, und das konnte, wenn es verborgen bleiben sollte, nur unten geschehen!
Er kletterte aus dem MTW, den er gerade untersucht hatte, ging zu Bendixen und machte ihm mit ein paar Handzeichen klar, daß sie sich erst einmal alle Fahrzeuge von unten ansehen sollten. Gleich darauf lagen beide auf den geriffelten Platten und schoben sich wie Kfz-Monteure unter die Autos. Bei jedem Wechsel von einem zum anderen Wagen standen sie gar nicht erst auf, sondern rollten einfach weiter. So dauerte es keine fünf Minuten, bis Bendixen mit einer der beiden Minen zum Vorschein kam. Das graue, von Straßenschmutz überzogene Ding in der Hand, trat er an Pahlke heran, stieß ihm mit dem Fuß gegen den Stiefelabsatz. Der Sanitäter kroch hervor, und dann betrachteten die beiden Männer den flachen, runden Gegenstand. Trotz der Schutzhülle an seinen Händen gelang es Bendixen, das Ventil zu schließen. Schon unter dem nächsten Wagen fanden sie die zweite Mine. Sie drehten auch diese zu, kontrollierten die restlichen Fahrzeuge, fanden nichts mehr.
Während sie noch überlegten, wie sie ihren Fund verwahren sollten und wo sie, bevor sie wieder an Deck traten, ihre verseuchten Anzüge abstreifen könnten, erlebten sie eine freudige Überraschung. Plötzlich standen sechs mit Schutzkleidung und Gasmasken versehene Gestalten auf der Plattform! Beiden war sofort klar, das konnte nur ein Rettungskommando sein, das alles mitgebracht haben mußte, was nun vonnöten war: ein Zelt mit einer Entgiftungsschleuse, PVC-Wannen für die Minen und für die verseuchten Anzüge, Atemgeräte, Medikamente und vieles mehr. Den bisher nur provisorisch versorgten Kranken würde vielleicht noch geholfen werden können, und die Gesunden würde man per Hubschrauber vom Schiff holen! Aber da sie sich auskannten in ihrem Fach, wußten sie auch: Mit einer Natron- oder Kalilauge ließen sich die nur geringfügig befallenen Gegenstände und Kleidungsstücke
dekontaminieren. Wo allerdings das VX – und sei es in winzigsten Partikeln – auf der Haut saß, gab es nichts mehr zu retten.

9.
    Wie hätte diese Stadt ihn anregen, mehr noch, ihn mitreißen können, wenn er frei gewesen wäre von Schuld und Furcht! Allein schon die mächtigen alten Mauern des Gotischen Viertels hätten ihn, der das von jeher Bewährte so liebte, in einen Rausch versetzt, und beschwingt wäre er durch die engen Gassen gezogen. Der Hafen mit den großen und kleinen Schiffen, den Gerüchen nach Teer und Gewürz und Fisch hätte ihn gefangengenommen, und täglich wäre er mit der Seilbahn über die Docks und Kais hinweggeschwebt. Die bizarre Baukunst der Sagrada Familia hätte ihn, der Kirchenbesichtigungen eigentlich nicht mochte, gefesselt, und auf der Karavelle des Columbus wäre er ins Träumen geraten. Und erst die Ramblas! Er brauchte nur um die Ecke zu gehen, dann hatte er sie, die Straße, die ein einziges Volksfest war! Aber sie lockte ihn nicht. Nichts lockte ihn.
    Der achte Abend. Er war allein ausgegangen, hatte Katharina erklärt, er müsse nachdenken. Sie war voller Verständnis gewesen, hatte ihm sogar geraten, in einem guten Restaurant zu Abend zu essen und dann bei einer Flasche Wein die Entscheidung zu treffen.
    Aber er hatte weder gespeist noch beim Wein Zuflucht genommen, sich nur an einem Stand frischgeröstete Mandeln gekauft.
    Lange war er durch die Stadt gegangen, durch stille Parks und laute Straßen. Nun, schon auf dem Rückweg, erreichte er das Chinesenviertel. Und dort betrat er dann doch ein Lokal, weil er noch einmal in Ruhe die jüngsten Mitteilungen lesen wollte, die eine deutsche Zeitung in seiner Sache veröffentlicht hatte.
    Er fand einen freien Tisch, bestellte sich einen Espresso, bat, weil es schummerig war, um eine Kerze. Der gutaussehende junge Kellner, der ein schalkhaftes Lächeln hatte, brachte das Licht und fragte: »Una fiesta desoledad?«
    Ein Fest der Einsamkeit? Golombek schüttelte den Kopf.
    »Ich möchte nur etwas lesen«, antwortete er auf englisch.
Als der junge Mann gegangen war, zog er die Zeitung aus seiner Jackentasche hervor, schlug sie auf. Zunächst las er den Bericht über die Ereignisse auf der ALBATROS. Es hieß da, siebenundzwanzig Todesopfer seien zu beklagen, und

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