1988 VX (SM)
Kaminfeuer, schmiegten sich aneinander, blickten in die Flammen, schwiegen lange. Erst als er die Asbesthandschuhe vom Kaminsims aufnahm, sie überstreifte und ein paar der brennenden Scheite zurechtrückte, sagte sie:
»Der Plan hat sich also geändert, nicht wahr?«
Er legte die groben Handschuhe auf den Sims zurück, setzte sich wieder zu ihr. »Ja«, sagte er, »der Plan hat sich geändert. Sehr sogar.«
»Ist das Treffen erst morgen?«
»Ich mach’ uns mal eben was zu trinken.« Er verschwand, und sie sah wieder ins Feuer, beobachtete, wie von einem dicken, armlangen, fast durchgeglühten Scheit Funken absprangen.
Was mochte er gemeint haben mit den Worten »sehr sogar«? Daß sie nicht zahlen wollten?
Sie zog sich die großen Handschuhe an, griff ins Feuer, nahm ein Stückchen Glut auf, hielt es eine Weile, warf es zurück, wiederholte das Spiel noch ein paarmal. Dann streifte sie die riesigen Asbesthüllen wieder ab und legte sich auf den Fußboden, spürte den Wärmestrom an ihrem Körper entlanggleiten, freute sich auf die nächste Stunde.
Lars kam zurück, gab ihr ein gefülltes Glas.
»Bloody Mary?« fragte sie und richtete sich auf. »Das weißt du noch?«
»Ich weiß noch alles.« Er setzte sich neben sie, trank ihr zu, und dann sagte er:
»Das Treffen findet nicht statt.«
»Wieso nicht?«
»Ihr habt euch schwerwiegende Pannen geleistet.«
»Wir konnten nicht wissen, daß der Manöverplan plötzlich geändert worden war.«
»Ihr hättet eine solche Möglichkeit einkalkulieren müssen.«
»Das finde ich nicht. So etwas ist zu unwahrscheinlich.«
Sie nahm einen Schluck, fuhr dann fort: »Und nun wollen die russischen Generäle sich also um die zweite Quote herumdrücken? Das wird Robert gar nicht schmecken.«
Lars Nydager stellte sein Glas auf den Fußboden. »Robert dürfte …«, er brach ab und begann neu: »Eure Auftraggeber sind weder Generäle noch Russen.«
Entgeistert starrte sie ihn an. »Keine Russen, sagst du?«
»Richtig.«
»Aber wer, wenn nicht der reaktionäre Teil des russischen Militärs, könnte ein Interesse daran haben, ein amerikanisches Munitionsdepot überfallen zu lassen?« »Die Amerikaner.«
Vor Verblüffung fand sie zunächst keine Worte. Endlich, nach einer langen Pause ungläubigen Staunens, fragte sie noch einmal nach:
»Die Amerikaner?« Sie fragte es ganz behutsam, nickte sogar, wie man es gegenüber einem Verwirrten tut, dem man allen Unsinn durchgehen läßt in der Hoffnung, irgendwann folge etwas Vernünftiges.
»Ja. Oder sagen wir lieber: ein paar Amerikaner. Waffenschieber und Konzernchefs nämlich, Männer, von denen das Weiße Haus keine Ahnung hat. Das Schlimmste, was denen passieren kann, sind erfolgreiche Abrüstungsverhandlungen. Ihr Geschäft ist der Krieg, und du kannst mir glauben, es ist ein Milliardengeschäft! Überall auf der Welt schüren sie Unruheherde, auch in Deutschland. Sie sorgen dafür, daß mal dem Osten, mal dem Westen die Schuld zugeschoben wird, damit es nie aufhört mit dem Waffenhandel.«
»Aber es hat Tote gegeben! Tote Amerikaner!«
»Na und? Das spielt doch keine Rolle, wenn es um solche Summen geht. Bei den Russen liegen die Dinge ganz anders. Für sie ist die Hochrüstung, ökonomisch gesehen, ein Dilemma. Auf der einen Seite müssen sie mithalten, um gewappnet zu sein, auf der anderen fehlt ihnen das Geld, das die Waffen verschlingen, für dringend erforderliche Modernisierungsprogramme in fast allen Wirtschaftsbereichen.
Was sich zur Zeit zwischen den beiden Supermächten abspielt, sehen wir: Gorbatschow streckt die Hand zur Versöhnung aus, und der Westen windet sich.«
Sie nickte, sagte dann: »Aber wie können zwei Machtgruppen von gegensätzlicher Interessenlage für ein und dieselbe Aktion als Verursacher in Frage kommen?«
»Ihr habt ja nicht die neue Sowjetführung als euren Auftraggeber angesehen, sondern einen Kader alter Generäle, die aus ideologischen Gründen kein Interesse daran haben, daß Versöhnung stattfindet. Aber jetzt komm! Setz dich auf mich!« Er legte sich auf den Rücken und zog den geschmeidigen Mädchenkörper über sich.
Sie gehorchte, war aber nicht bei der Sache. Er spürte das, packte sie mit seinen starken Händen, wiegte sie ein.
Ganz allmählich fand sie den Rhythmus.
Einmal ging, dicht neben ihnen, eine heftige Bewegung durch das Feuer. Eines der aufgeschichteten Scheite war gekippt, und gleich darauf sprühten die Funken. Die Flammen drangen bis in den mit Kupferblech ausgekleideten Abzug.
Sie
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